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Foto: Partnerschaft ohne Konflikte? Ist das sinnvoll?

Partnerschaft ohne Konflikte? Ist das sinnvoll?

Eine Partnerschaft ohne Konflikte? Gibt es das? Ist das überhaupt sinnvoll?

“Wenn Ihr nicht zu­sam­men­passt, wer dann!?” Die­sen Satz ha­ben har­mo­ni­schen Vor­zei­ge-Paa­re oft ge­hört und sind dar­auf auch stolz. Natürlich ist es für ein Paar auch etwas Schönes, wenig oder gar nicht zu streiten. Es mag gut ankommen, in allem einer Meinung zu sein. Da herrschst dann ein Gleichklang und eine spürbare Einheit.

Die Schattenseiten der Dauerharmonie

Dabei kann es auch Schattenseiten dieser Harmonie geben. Über die Jah­re ist ob al­ler Har­mo­nie möglicherweise die Be­zie­hung ein­ge­schla­fen, der je­weils an­de­re Part­ner hat an At­trak­ti­vi­tät ein­ge­büsst und bei­de Part­ner ha­ben Stück für Stück er­kannt, dass es aus­ser Be­zie­hung und Har­mo­nie we­nig Auf­re­gen­des mehr im Le­ben gibt. Kaum ei­nen Abend sind sie mal ge­trennt un­ter­wegs und persönliche Freiheit ist ganz zugunsten der harmonischen Zweisamkeit geofpert worden. Je­des An­zei­chen von Auf­re­gung, se­pa­rie­ren­der Span­nung oder pen­deln­der Weg- und Rück­be­we­gung zum Part­ner ist un­ter­drückt wor­den, vielleicht aus Sorge, die partnerschaftliche Har­mo­nie zu stö­ren. Man leb­te nur noch für das ge­mein­sa­me Wir und hat sich da­bei selbst, mehr oder we­ni­ger, auf­ge­ge­ben.

Auf ein­mal wird klar: Der Part­ner oder die Part­ne­rin, in die man sich ver­liebt hat­te exis­tiert nicht mehr, der Reiz ist ver­flo­gen und ein Ge­fühl der Unzufriedenheit mit der Paarbeziehung entsteht. Wer ist sie oder er neben mir, der mir das immer reinredet und immer da ist? Irgendwann kommt es zwischen den Parter*Innen zum gro­ßen Knall. Al­les, was bis­her un­ter den Tep­pich ge­kehrt wur­de, al­les, was bis­her im Dampf­kes­sel oh­ne Ven­til bro­del­te, kommt ex­plo­si­ons­ar­tig zum Aus­bruch. Bei­de Part­ner*Innen sind scho­ckiert über die neu­ar­ti­ge Aus­ein­an­der­set­zung, die sie doch im­mer zu ver­mei­den such­ten. Ans­gt und Pa­nik kön­nen sich eben­so breit­ma­chen, wie der Schrei nach Luft und Ori­en­tie­rung. Nichts ist mehr selbst­ver­ständ­lich. In die­ser Si­tua­ti­on bleibt zu­dem meist ei­ne an­ge­mes­sen-konstruk­ti­ve Streit- und Kon­flikt­stra­te­gie Wunsch­den­ken. Denn rich­tig zu strei­ten wur­de nie ge­lernt, son­dern für ein Vor­zei­ge-Paar als nicht er­stre­bens- oder er­ler­nens­not­wen­dig er­ach­tet.

Warum sollte es eine Partnerschaft ohne Konflikte überhaupt geben?

Kon­flik­te und Streit sind in ei­ner Be­zie­hung, in der Part­ner Zeit und Raum mit­ein­an­der tei­len, vielleicht auch einfach un­ver­meid­lich. Wir sind also eingeladen, Streit und Auseinandersetzungen grundsätzlich anzunehmen. Wer hin­ge­gen Streit­aus­lö­ser nur ver­drängt, ei­ge­ne Be­dürf­nis­se nicht äu­ßert – dies ge­schieht fast selbst­ver­ständ­lich noch zu Be­ginn ei­ner Be­zie­hung, wenn der Part­ner nur durch die ro­sa­ro­te Bril­le be­trach­tet wird – , dann machen sie sich ggf. auf andere Weise bemerkbar. Wir kommunizieren ja verbal und non-verbal. Ein in­ne­rer Groll ist manchmal wie schleichendes Gift für die Beziehung, wenn es eben nicht gelingt, allen Frust herunterzuschlucken und dauerhaft zu vergessen. Dann haben wir vielleicht Harmonie an der äußeren Oberfläche, nicht aber innerlich.

Positive Seiten von Konflikten in der Partnerschaft

Wenn sie bei sich ei­ne ge­ne­rel­le Kon­flikt­scheu als Paar be­mer­ken, wer­den Sie sich hof­fent­lich fra­gen, was de­ren Ur­sa­che ist. Sie wer­den sich die­se Tat­sa­che vielleicht irgendwann ein­ge­ste­hen und ei­ne Ver­än­de­rung her­bei­füh­ren wollen.

Ich begleite in Berlin Paare, die an ihrer Kommunikation und ihrem Konfliktverhalten arbeiten möchten und auf der Suche nach einer neuen oder veränderten Streitkultur sind. Hier wird es dar­um ge­hen Kon­flikt­scheu und ih­re Grund­mus­ter zu ana­ly­sie­ren und nach Pro­ble­mur­sa­chen zu su­chen. Vie­le Paa­re wün­schen sich dabei auch ganz kon­kret, das Strei­ten zu üben oder sie bringen aufgekommene Streitthemen in die Eheberatung mit.

In Konflikten und Auseinandersetzungen eine Meinung zu haben, eine Position zu vertreten und auch zu versuchen, mit dem Partner auf Augenhöhe zu bleiben, erachte ich für eine Partnerschaft als wichtig. Es geht nicht darum, nicht zu streiten, sondern um das Wie des Streits. Ein Streit zeigt im Idealfall an, worum es den Partnern geht, kann Bedürfnisse an das Tageslicht fördern und die beiden Partner einander näher bringen.

Konflikte als Hinweis auf die Anwesenheit von Beziehung

Betrachten wir es noch einmal anders. Neben Schattenseiten der Konflikte ist auch zu benennen: Gibt es einen Konflikt, sind sich die Partner nicht egal. Man empfindet etwas füreinander und will etwas vom Anderen. Man hat sogar noch Beziehung, welcher Qualität auch immer. Emotionen und Eskalationen mögen hier vielleicht ein Hinweis auf die Anwesenheit von Beziehung sein. Es gibt eben keine sachliche Geschäftsbeziehung, sondern eine emotionale Verbindung. Es ist entscheidend, wie man gesehen wird. Anders: Wie man denkt, gesehen zu werden. Nicht von irgendwem, an dem man kein Interesse hat, sondern vom Partner. Es ist nicht unbedeutend, wie ich als Partner gesehen werde. Ob ich Gehör finde, oder nicht, ist entscheidend.

Vielleicht fehlt nur ein Weg zu einer angemessenen Verständigung. Im Rahmen hilfloser Versuche und Suchbewegungen kommt es zu Konflikten. Ist man einander fremd, lädt dies im günstigsten Falle dazu ein, sich wirklich kennen zu lernen. „Du wirst mich noch kennenlernen, Freundchen!“ Hoffentlich! Endlich!

Lösungsideen der Paare – Konflikte positiv gestalten

Es überrascht mich oftmals, welche Lösungswege und Auswege aus konflikthaftem Verhalten Paare bereits erdacht und ausprobiert haben. Mitunter denke ich, dass da viel Potential in einer Paarbeziehung verborgen ist und auch die einzelnen Partner eine Menge an gutem Wissen mitbringen. Vielleicht liegt es an der explosiven Grundstimmung innerhalb der Partnerschaft, dass diese Lösungswege nicht konsequenter angewandt wurden, dass immer das Gleiche in der gleichen Weise versucht wurde, obgleich es eben zu keinem Ergebnis geführt hatte.

Ich lade Paare ein darüber zu sprechen, was sie unter Harmonie und einer glücklich-perfekten Partnerschaft verstehen. Oft kommen dabei regelrechte Glaubenssätze und Leitideen ans Tageslicht. Nicht alle sind realistisch und manche überfordern vielleicht auch. Andere mögen vielleicht dem Paar zur Motivation dienlich sein.

Und ja! Es geht an­de­ren Part­nern und Paa­ren oft ähn­lich.  Am An­fang sind die Ge­füh­le groß und man schwebt auf  ”Wol­ke 7″. Al­les ist in herr­li­ches Licht ge­taucht und im Bauch “tan­zen Schmet­ter­lin­ge”. „Har­mo­nie­versessene Vor­zei­ge-Paa­re“ ver­su­chen die ro­sa­ro­te Zeit vielleicht auch künst­lich zu ver­län­gern und auf­recht­zu­er­hal­ten und ma­chen oft­mals an­de­re Ent­wick­lungs­schrit­te nicht mit, durchlaufen wei­te­re Be­zie­hungs­pha­sen nicht. Dann auf ein­mal sind sie über­for­dert, wenn al­les sich die Bahn bricht und habeneben noch nicht gelernt, wie sich Streit anfühlt, was er für eine Partnerschaft auch an positiver Weiterentwicklundg und Dynamik mit sich bringen kann. Auch fehlt das Wissen und die Übung in guter Weise miteinander zu streiten.

Mein Plädoyer: Weniger Konfliktvermeidung! Stattdessen: Konflikte positiv gestalten und nutzen!

Mehr zum Thema Streit und Konflikte in einer Paarbeziehung

Artikel: Wenn Partner streiten – Streit und Streitkultur in der Partnerschaft
Artikel: Erwartungen und Forderungen an den Partner – Mein Partner fordert zu viel

Ferdinand Krieg

Dipl.-Theologe | Heilpraktiker beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie
Weiterbildungen in Systemischer Therapie und Beratung: Systemischer Paartherapeut (SIH) | Systemischer Therapeut und Berater (SG) | Sexualtherapie (DGfS).

Prenzlauer Promenade 190, 13189 Berlin
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