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Foto: Bin ich dem Partner unterlegen? Beziehung auf Augenhöhe?

Bin ich dem Partner unterlegen? Beziehung auf Augenhöhe?

Bin ich dem Partner unterlegen? Dominiert mich meine Partnerin? Führen wir als Paar eine Beziehung auf Augenhöhe? Paare erleben unter Anderem heftige Konflikte, wenn ein Partner, eine Partnerin, in der Beziehung den Ton angibt. Da ist Eine oder Einer wirtschaftlich und intellektuell besser aufgestellt. Zudem verhalte er oder sie sich dominant. Schließlich strotze die Partnerin oder der Partner nur so vor Überlegenheit.

Bin ich dem Partner unterlegen?

Würde man den so eingeschätzten Partner, die Partnerin, direkt fragen, würde er oder sie vielleicht zu einer ganz anderen Einschätzung kommen; gleichwohl er oder sie ebenfalls einen Paarkonflikt wahrnimmt. Doch die Selbstsicht der oder des vermeintlich Dominanteren und Überlegeneren ist nicht immer entscheidend oder hilfreich. Es kommt ganz darauf an, wie die oder der sich als unterlegen sehende Partner*In die Dinge sieht und bewertet.

Ausgewählte Perspektiven auf das Thema Augenhöhe seien hier genannt: Erstens der Fokus auf sich selbst, die Selbstsicht und Selbsteinschätzung. Dann überdies Zweitens das, was als Tatsache bewertet wird: sogenannten Fakten der Ungleichheit. Drittens sind außerdem auch auf die Blickwinkel und Bewertungen des/der anderen Partner*In an.

Zunächst einmal gilt ja auch, dass wir es mit innerer Perspektive zu tun haben, die durchaus auch subjektiv ist. Es gibt erst einmal Tatsachen, die dann durch einen Partner, durch eine Partnerin bewertet werden. Ob also ein(e) Partner*In eintausend Euro mehr verdient, muss noch kein Gefühl von Überlegenheit oder Unterlegenheit herbeiführen. Es kommt auch auf den Blickwinkel und Betrachtungsperspektiven innerhalb einer Paarbeziehung an. Selbst dann, wenn es ein Überlegen-Unterlegen-Gefühl gibt, muss selbst dieses nicht von vornherein beziehungsabträglich sein.

Paarbeziehung als Ort, an dem man unterlegen sein darf

Deshalb halte ich die Frage relevant, welche Bedeutung dem etwaigen Mehrverdienst eines Beziehungspartners von wem, wie beigemessen wird. Besteht die Ansicht, dass ein Ungleichgewicht besteht, das auch als beziehungsabträglich angesehen wird? Ist dies so, dann sollte diese Dysbalance ernst genommen werden. Darum sollten sich Paare auch dann bemühen, wenn es schwer fällt hierüber in eine gute Kommunikation zu treten. Es braucht vielleicht eine Portion Mut, seine Einschätzung über eine etwaige Schieflage kundzutun. Denn damit zeigt man sich ja zugleich selbst als unterlegen. Zumindest wird Bedürftigkeit in einer Paarbeziehung gern damit gleichgesetzt.

Nicht jeder oder jede Partner*In denkt und fühlt nach dem paulinischen Wort „Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“ (2 Kor 12,10). Stärke, so diese Sichtweise, würde hier bedeuten, eigene Schwächen und Unzulänglichkeiten zu kennen, diese anzunehmen und selbst liebevoll anzusehen. Als Menschen sind wir keine vollkommenen Wesen.

Vielleicht ist dieser Satz des Paulus so etwas wie eine Gegenbotschaft zur Leistungsgesellschaft. Mittlerweile müssen wir ja auch in Paarbeziehungen mehr leisten. Liebesbeziehung und Partnerschaft werden also zu Orten der Leistung. Leisten wir nicht wie erwünscht, heißt es gern: „Next one please!“

Dabei könnte eine Paarbeziehung auch ein Ort sein, an dem Schwächen geliebt werden. Ein Ort also, an dem Partner*Innen für einander einstehen und sich gegenseitig aufrichten. Oder es ist ein Ort, an dem Partner*Innen beschlossen haben, trotz aller Unzulänglichkeiten und Fehler, sich an ihren Stärken zu erfreuen. Das, worüber anerkennend und liebevoll gesprochen wird, tritt hier in den Vordergrund.

Versuche, Augenhöhe durch Streit herzustellen oder zu verbergen

Auch hier ist wieder die Bewertung beider Partner_Innen mitentscheidend. Zu erleben sind nun sicherlich Paare, in deren Paarbeziehungen Bewertungen vorgenommen werden. Manche Zuschreibung sprechen wir nicht offen aus. Oder, wenn etwas mitgeteilt wird, dann im Kreislauf von direktem Angriff, anklagender Schuldzuweisung, rächendem Gegenangriff und schließlich in verachtendem Rückzug. Bis es dann irgendwann heisst: Das machen wir jetzt noch einmal, nur noch ausgiebiger und mit mehr Anstrengung und Lust dabei.

Die eigentlichen Botschaften „Nimm mich mehr wahr!“,  „Achte mich!“ oder “ Zeige mir, dass Du mich wertschätzt!“ bleiben hier ungehört. Hier übergehen wir vielleicht gewisse Feinheiten. Natürliche und ganz menschliche Mechanismen an der Oberfläche spielen sich ab. Wer angegriffen wird, verteidigt sich. Zeigen Sie gerne, dass Sie bedürftig sind? Dass Sie sich unterlegen fühlen? Stattdessen ziehen wir doch lieber eine eiserne Maske der Stärke auf. Wir greifen lieber an. Denn für viele gilt vielleicht noch der Satz, dass ein Angriff die beste Verteidigung sei. Wer also folglich hinter der Maske verbleibt, dem ist eine Beziehung zu wünschen, in der man sich traut, Masken abzunehmen.

Vielleicht findet die Kommunikation über eine gewünschte Balance auf Augenhöhe auch eher indirekt statt, verbal oder non-verbal, etwa durch einen Rückzug vom Partner oder ein Nicht-Wertschätzen-Wollen der finanziellen und beruflichen Erfolge des/der Partner*In. Gegebenenfalls nimmt daher der indirekt beklagte Partner hier auch gar nicht wahr, worum es wirklich geht. Vielleicht denken manche Partner*Innen auch: Es ändert sich ohnehin nichts. Die Verhältnisse sind zudem unveränderlich. Es ist und bleibt schließlich so, wie es ist.

Wenn Partner*Innen fehlende Augenhöhe als beziehungsabträglich bewerten

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen im Keller und die Partnerin, oder der Partner thront über den Zinnen. Dann sind mehrere Bewegungen denkbar: Erstens, sich selbst aus dem Keller nach oben zu bewegen. Und Zweitens und andererseits dem Partner, der Partnerin, den Platz zuzuweisen, der ihm, der ihr, eigentlich zukommt. Sinnvoll ist es hierbei, Veränderungsbewegungen möglichst gemeinsam und einvernehmlich zu vorzunehmen.

Ich gewähre Dir Augenhöhe?

Nicht in jeder Paarbeziehung besteht der Lösungswunsch z.B. dahingehend, dass eine Partner/-in zu bitten, sie oder er möge gnädig und huldvoll, eine Hand in die Tiefe herab strecken, um den/die sich-unterlegen fühlende Partner/in emporzuheben.

Oftmals wird genau dies so gesehen, dass sie oder er oft „Überlegene(r)“ bleibe und deutet dies noch durch diese Bewegung betont würde. Sie oder er ist dann „gnädig Gewährende(r)“, ohne deren/dessen Huld, so die Botschaft dieser Geste, nichts verändern soll oder vielleicht sogar darf. Es liesse sich dies auch so deuten, dass Sie sich dann in einer als unterlegen gewerteten Position verbleibend ansehen und eher auf die Generosität Ihrer Partnerin, Ihres Partners hin ausgerichtet, anstatt auf eigene Schritte in die Balance und Augenhöhe. Ich finde es daher sehr spannend, mit Partner*Innen über deren ganz persönliche und zudem unabhängige Wege zur Augenhöhe zu sprechen.

Wenn also die Idee besteht, es müsse eine Beziehung auf Augenhöhe geben, ist vielleicht auch die Frage erlaubt, was auf der Ebene der Paarbeziehung verändert werden sollte und was auf der persönlichen Ebene. Hier ist zu fragen, ob und wie darüber ein aus Sicht des Paares angemessener Austausch darüber stattfindet.

Ich gewähre mir Augenhöhe!

Nicht immer möchte jemand auch so erhaben über allem thronen. Es könnte durchaus sein, dass einem Partner, einer Partnerin diese Rolle, in die Sie sie/ihn oder in die sie/er sich selbst bringt, unangenehm ist. Vielleicht ließe sich dann auch von einem weiteren Inthronisieren durch Unterlassung Abstand nehmen. Hier tue ich also etwas, in dem ich aufhöre eine(n) Partner*In zu überhöhen.

Ich erinnere mich übrigens gerne an die Geschichten des berühmten Baron Münchhausen. Lügengeschichten fürwahr! Aber sie haben für mich auch etwas Wahres. Besonders in den Sinn kommt mir, wie der Lügenbaron sich, samt Pferd, am eigenen Schopfe aus dem Sumpf zieht. So etwas wünsche ich Partner*Innen, die sich unterlegen glauben. Dass sie für sich Schritte finden, Augenhöhe selbst herzustellen.

Ferdinand Krieg

Dipl.-Theologe | Heilpraktiker beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie
Weiterbildungen in Systemischer Therapie und Beratung: Systemischer Paartherapeut (SIH) | Systemischer Therapeut und Berater (SG) | Sexualtherapie (DGfS).

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