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Foto: Als Partner frei in Beziehung leben? Vom Partner unabhängig sein?

Als Partner frei in Beziehung leben? Vom Partner unabhängig sein?

Vom Partner unabhängig sein?

Vom Partner unabhängig sein? Freiräume in der Paarbeziehung genießen? Wieviel Ich und wieviel Wir brauchen wir? Wie ist es um eine gute Balance zwischen Nähe und Distanz in unserer Partnerschaft bestellt?

In diesem Artikel möchte ich mit Ihnen einige Gedanken aus der nichtheilkundlichen Beratungsarbeit mit Paaren teilen. Nicht im Sinne einer wissenschaftlichen Abhandlung, sondern eher als einfache Beziehungstips. Ich biete Ihnen Gedanken zum Weiterdenken oder zum Verwerfen an. Das Thema ist die Unabhängigkeit in einer bestehenden Partnerschaft. Gibt es das? Sind persönliche Freiräume und eine Prise Unabhängigkeit in einer Beziehung aus beziehungsdynamischer Sicht sinnvoll?

Innere, räumliche und zeitliche Freiräume als Partner*In

Wer zu sich sagen kann „Ich darf auch frei, unabhängig und selbstbewusst in meiner Beziehung auftreten!“,  „Ich könnte auch alleine leben, ohne eine(n) Partner(in)!“, bringt einen wichtigen Baustein für eine gelingende Beziehung mit. Wer aber alles von seiner Paarbeziehung erhofft, wird möglicherweise nicht unbedingt zum glücklichen Verlauf derselben beitragen, sondern eher Besitzstandwahrende(r), Klagende(er), Einfordernde(r) und Enttäuschte(r) werden. Darum ist es auch wichtig, nicht nur von der Partner*in alles zu wollen, sondern auch seines eigenen Glückes Schmied zu sein und zu bleiben. Ich behaupte sogar, man sollte in einer guten Weise auch in einer Paarbeziehung Single sein. Das Gebot der zur Nächstenliebe schließt die Aufforderung zur Selbstliebe mit ein. Wir sollen nicht nur andere lieben, bewundern und versorgen, sondern zunächst einen liebevolle Haltung zu uns selbst einnehmen.

Zudem geht es, neben inneren Freiräumen auch um zeitliche und räumliche Rückzugsorte und Momente der Unabhängigkeit. Diese brauchen wir, weil wir sind als Partner*Innen irgendwann meinen, uns selbst zugunsten des stetig wachsenden und alles dominierenden Wir der Paarbeziehung vergessen zu haben. Eine Paarbeziehung als gelingendes Wir braucht zwei starke und unabhängige Ichs. Um meinen Ich-Bereich in der Paarbeziehung zu wahren, muss ich, nach der Anfangsphase verliebter Verschmelzung irgendwann in einer Beziehung auch meine eigenen Freiräume zurückerobern, einfordern und lebendig halten; auch wenn hier vielleicht erst einmal Erklärungsbedarf dem/der Partner*In gegenüber entsteht.

Forderungen und Überforderungen in Paarbeziehungen

Ich beobachte manchmal, dass einzelne Partner, aber auch beide Partner als Paar verstrickt sind in einem Kreislauf aus Forderungen und Überforderungen in der Paarbeziehung. Eine Partnerschaft und ein/e Partner*In muss dann hohen Ansprüchen und Idealen entsprechen. Genügen sie nicht, entsteht Beziehungsfrust und ein langsamer innerer Rückzug vom Partner; aber eben nicht selbstbewusst und frei, sondern als Reaktion und mit unguter Begleitstimmung. Die andere Variante ist das allseits bekannte Klammern, also das Nicht-vom-Partner-Loslassen, so als wolle man ihn auspressen, um endlich das zu erhalten, was die Ansprüche einfordern. Man könnte es so sehen, als sei man irgendwie auf der anderen Seite eines Feldes angelangt, auf der des Partners. Den eigenen Bereich hat man dabei verlassen und der Fokus ist ganz auf den anderen gerichtet.

Was ist mein unabhängiger Bereich als Partner*In?

Eine solche Verlagerung kann in einer Partnerschaft zeitweilig etwa bei Belastungen und Herausforderungen von Außen entstehen. Dann ist man auf die Hilfe und den Sachverstand des Partners angewiesen. Insofern wird dann mehr genommen, als gegeben; eine Dysbalance. Auf Dauer ist dies erfahrungsgemäß einer Beziehung nicht zuträglich. Sowohl aus Sicht dessen der nimmt, als auch für den der nur geben muss. Die Partnerschaft soll ja vom Geben und Nehmen leben. Eine Beziehung ist nicht auf Dauer der Ersatz für irgendetwas, was einem Partner fehlt, sondern eine Bereicherung, ein Plus zu einem ohnehin schon gegebenen Reichtum. Auch gehört ein Partner nicht dem anderen. Er ist und bleibt immer auch ein Fremder, ein unabhängiges Individuum. Sie sind immer verschieden und das ist auch gut so.

Es gilt also zu erfragen, was ist mein Bereich? Wann und wo bin ich unabhängig und auf mich gestellt? Was sind meine Interessen und Bedürfnisse, meine Freiheiten, meine sozialen Netzwerke aus Freunden und Familienangehörigen, meine Arbeit und meine Geschichte. Welcher Bereich hingegen ist der Bereich des Partners. Und was ist das, was wir als Paar, als zwei unabhängige Individuen, als zwei Ich-Persönlichkeiten als das gemeinsame Wir bezeichnen würden. Wie viel Wir gibt es? Wer bildet es und erhält es am Leben? Wo aber überschreitet das Wir grenzverletzend seinen Bereich?

Wir und Unabhängigkeit in verschiedenen Stadien einer Partnerschaft

Eine Partnerschaft, so lässt es sich vielleicht verkürzt sagen, durchlebt verschiedenen Stadien. Von romantischer Annäherung und Verschmelzung zu beginn, über eine streitbehaftete Wegbewegung jeweils zu den Freiräumen der einzelnen Partner, hin zu einer Zeit der Ruhe und Stabilität. Es ist verständlich, dass es hier also Zeiten größerer Wir-Betonung und Nähe gibt und auch der Fokussierung auf das eigene Ich, auf ein selbstbewusstes Eigenleben neben dem Partner. Das kann räumlich und örtlich gemeint sein, aber auch inhaltlich für ein Beziehungsleben zutreffen. Wie viel Zeit nehme ich mir für mich selbst? Was erledige ich selbst? Wo bin ich unabhängig und auf mich gestellt? Welche Freiräume habe ich?

In einer bestehenden Partnerschaft, in der Sie nicht genug Liebe bekommen, können Sie sich oftmals soviel anstrengen, wie Sie wollen. Einen Partner zu ändern ist schwer. Es kann eben auch sein, dass es auch von Außenbetrachtet eigentlich nur die beiden Ich-Persönlichkeiten gibt, aus Desinteresse, aus dezent egoistischen Grundzügen, weil man sich auseinandergelebt hat. Das Wir beliebt dann auf der Strecke.

Kunst der Balance zwischen Nähe und Distanz, von Wir und Ich

Die Kunst liegt vielleicht also darin, beides zu können und in eine Beziehung zu integrieren: Dass man selbstbewusst und unabhängig vom Partner eigene Freiräume lebendig hält oder sich wieder errichtet und dass man bereit ist für Zeiten des gemeinsamen Miteinanders als Paar, als Wir der Beziehung. Ausschläge in die eine oder andere Richtung können Ausdruck einer dynamischen Entwicklung der Beziehung sein, wie ein Pendelschlag. Als ungut erachte ich, wenn ein Partner, wenn ein Paar versucht, Partnerschaft einseitig zu leben, d.h. wenn man erreichen möchte, dass das Pendel in einer extremen Ausrichtung stehen bleibt. Schon allein bildlich gesehen, stelle ich mir das anstrengend vor, ganz viel Verschmelzung zu üben oder dauerhaft kalte Distanz.

Fragen an ein Paar zum Thema Freiräume und Unabhängigkeit

Vielleicht können Sie das einmal als Paar miteinander versuchen und sich zusammensetzen. Die Frage könnte lauten:

  1. Welche Freiräume haben wir und schenken wir uns gegenseitig?
  2. Nehmen wir uns unabhängig davon persönliche Freiräume ?
  3. Welche Gemeinsamkeiten pflegen wir als Paar?
  4. Wovon haben wir mehr: Gemeinsamkeiten oder individuelle Freiräume?
  5. Gibt es aus unserer Sicht ausreichend Balance zwischen Nähe und Distanz?
  6. In welcher Weise formulieren wir unsere Bedürfnisse nach Freiräumen und Unabhängigkeit?
  7. Welchen Gewinn brächte eine Ausbalancierung für die Paarbeziehung und uns als Partner*Innen?
  8. Welche Schwierigkeiten und Hindernisse sehen wir, auf dem Weg zu mehr Unabhängigkeit?

Ferdinand Krieg

Dipl.-Theologe | Heilpraktiker beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie
Weiterbildungen in Systemischer Therapie und Beratung: Systemischer Paartherapeut (SIH) | Systemischer Therapeut und Berater (SG) | Sexualtherapie (DGfS).

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