Mein*e Partner*in ist erfolgreicher und schöner – Beziehung auf Augenhöhe?
Veröffentlicht in Paarbeziehung

Beziehung auf Augenhöhe?
In Paarbeziehungen wird eine Über- oder Unterordnung oft als von heftigen Konflikten begleitet erlebt – Paare berichten mir in Paarberatungen von solchen Herausforderungen. Meist gehen wir als Menschen anfangs ja von etwas anderem aus, wenn wir in eine Beziehung starten. Unser romantisches Liebesideal sieht womöglich eine Beziehung auf Augenhöhe vor. Außerdem soll vielleicht auch das noch hinzukommen: Monogame Exklusivität, Treue, Ausschließlichkeit und erfüllte Liebe, eine Balance von Geben und Nehmen. Partner*innen wünschen sich vielleicht auch ein Gleichgewicht der Kräfte. Man möchte eine*n Partner*in, der*die es mit einem aufnehmen kann.
Beziehung in Schieflage
Mitunter sind Paarbeziehungen aber ganz anders aufgebaut. Da gibt es ein andauerndes Klagen, eine grundsätzliche Vorwurfshaltung und eine gleichförmige Unzufriedenheit einer Beziehungsperson. Diese ist zum Beispiel die*der Ankläger*in. Die häufigste Abwehrhaltung, die ein*e Beziehungspartner*in jetzt einnimmt, ist eine Verteidigungshaltung. Aus sachlogischen Erklärungen und Gegenbeweisen, aus Rückzugshandlungen oder einer immer weiter voranschreitenden Distanzierung besteht dann die Verteidigung.
Außerdem gibt es Paare, die erleben, gar nicht mehr recht unterscheiden zu können, was nun eine bewusst fokussierte und somit fast schon selbst erschaffene Ungleichheit ist und was sie wirklich in eine Schieflage bringt. Es kommt vielleicht auch darauf an, wie wir die Dinge betrachten und welche Gefühle wir zu ihnen haben. Wir können aus einem Elefanten eine Fliege machen – und aus einer Fliege einen Elefanten. Vielleicht liegt die Wahrheit zwischen beiden Extremen, humorvoll formuliert als eine Art Elefantenfliege oder Fliegenelefant.
Aus systemischer Sicht dürfte eine Beziehung in Schieflage vielleicht auch als ein gemeinsames Muster verstanden werden. Wenn eine Person klagt und die andere sich verteidigt, entsteht ein Kreislauf, der sich sozusagen selbst erhält. So betrachtet wären beide Teil eines Systems, das bestimmte Rollen hervorbringt. Die Frage nach „Schuld“ tritt hier in den Hintergrund – wichtiger wird, wie beide Partner*innen gemeinsam zu dieser Dynamik beitragen und ob und wenn ja, wie sie sie gemeinsam zu verändern suchen.
Augenhöhe in der Beziehung – Zwei Ichs und ein Wir
Vermutlich ist es so, dass es zwei „Ichs“ benötigt, um ein ausgeprägtes „Wir“ in der Beziehung zu haben. Das heißt, die Balance zwischen mir selbst als Individuum und meinen Bedürfnissen einerseits und der Beziehung und der Partner*in andererseits darf stimmig sein. Das sollte sich die Waage halten.
Es gibt Partnerschaften, in denen versucht wird, eine*n Partner*in zu dominieren. Oder ein*e Partner*in unterwirft sich. Wenn ein*e Partner*in nur investiert und der andere nur nimmt, bringt das eine Beziehung in Schieflage. Wenn ein*e Partner*in allein den Ton angibt, der andere nachfolgt und die Befehle entgegennimmt, stimmt vielleicht etwas nicht. Es sei denn, man möchte per se so eine Beziehung – zum Beispiel in einvernehmlichen Kontexten sexualitätsbezogener Dominanz und Subdominanz.
Manchmal vermischen sich auch zwei Dinge. Zu einer Über- und Unterordnung kommt die Idee hinzu: Wenn ich das so nicht akzeptiere, habe ich gar keine Beziehung. Dann werde ich verlassen. Also nehme ich mich mit meinen Wünschen und Bedürfnissen zurück, damit der beherrschende Partner viel Platz und Zeit erhält. So habe ich wenigstens eine*n Partner*in und eine Beziehung.
Aus bindungstheoretischer Perspektive darf eine fehlende Augenhöhe vielleicht auch als Ausdruck unterschiedlicher Bindungsstrategien gesehen werden. Manche Menschen erleben sich, aus dieser Perspektive gesehen, sicherer, wenn sie Kontrolle behalten. Andere suchen Sicherheit durch Anpassung oder übermäßige Nähe. So verstanden wäre Ungleichgewicht in der Beziehung weniger Ausdruck von Macht, sondern eher von inneren Unsicherheiten, die sich in der Dynamik zwischen beiden Partner*innen spiegeln.
Ist mein*e Partner*in schöner und erfolgreicher?
Es gibt zum Thema Augenhöhe auch dies: Dass ein*e Partner*in in einer Beziehung einem gesellschaftlich vermeintlich höher angesehenen Beruf nachgeht oder dass er, gemessen am zeitgenössischen Schönheitsideal, besser aussieht und als attraktiver eingeschätzt wird, muss nicht zwangsläufig zu Konflikten führen. Auch hier sind Wahrnehmung, Einstellung und Umgang des*der anderen Partner*in entscheidend. Ihm kommt eine Schlüsselfunktion zu, denn das „erfolgreicher“ oder „schöner“ bemisst er ja in Relation zu sich. Darüber hinaus, das ist schon schwerer, muss er sich vielleicht nicht die Einschätzung und das Vergleichsurteil der anderen zu eigen machen. Zumindest darf er die Reaktion darauf mitbestimmen.
So gesehen darf auch nach einem inneren Selbstwert gefragt werden, in Bezug darauf, wie Unterschiede erlebt werden. Wenn ein*e Partner*in das eigene Selbstbild stark am Vergleich mit der*dem anderen orientiert, ist dies vielleicht Ausdruck einer fragilen Balance. Vielleicht darf eine Beziehung auf Augenhöhe auch als Raum verstanden werden, in dem Unterschiede erlaubt sind, ohne dass daraus eine Bewertung – Abwertung oder Selbstabwertung – entsteht.
Neid und Eifersucht in der Beziehung
In mancher Paarbeziehung müssen Partner*innen auch mit Neid und Eifersucht umgehen. Man denkt gerne, dass das in einer Beziehung nicht vorkommen sollte. Aber auch im Zusammensein mit einem geliebten Menschen entstehen gegebenenfalls diese menschlichen Gefühle. Es geht dabei schließlich darum, wie ich mich durch die Augen des*der Partner*in selbst sehe. Vielleicht auch darum, wie mich mein*e Partner*in wirklich sieht und bewertet.
Aus emotionsfokussierter Perspektive ließe sich Eifersucht oder Neid als Ausdruck tieferer Bindungsbedürfnisse deuten. Hinter diesen Emotionen stehen oft Wünsche nach Gesehenwerden, nach Bestätigung oder nach Sicherheit. Wenn diese Gefühle in einer Beziehung benannt werden dürfen, ist es auch erlaubt, dies als Einladung anzusehen, einen neuen Kontakt zu suchen – ein Verstehen dessen, was eigentlich vermisst wird.
Fragen zur Augenhöhe
Paare definieren unterschiedlich, was für sie eine Beziehung auf Augenhöhe bedeutet. Vielleicht entstehen dabei Fragen:
- Wann ist eine Augenhöhe erreicht?
- Was bringt unsere Beziehung in eine Schieflage?
- Wie erleben wir den Verlust von Augenhöhe?
- Was tun und erleben wir als Paar, wenn wir Augenhöhe haben?
- Welche Vorstellungen, Ideen und Wünsche gibt es hierzu?
- Wann gab es schon einmal eine solche Augenhöhe in unserer Beziehung?
- Gab es Zeiten, in denen wir eine fehlende Augenhöhe gut überbrücken konnten?
- Bewerten wir uns? Fragen wir uns, wer schöner oder erfolgreicher ist?
- Sind Geben und Nehmen bei uns in guter Balance?
- Stehen wir als Partner*innen miteinander in einem guten Gleichgewicht der Kräfte?
- Versuchen wir eine fehlende Augenhöhe abzubauen? Wodurch?
Abschließende Gedanken
Beziehung auf Augenhöhe ist vielleicht weniger ein Zustand als ein fortwährender Prozess. Sie entsteht im Erleben vieler Paare dort, wo beide Partner*innen sich gegenseitig ernst nehmen, ihre Verschiedenheit achten und ihre inneren Bewegungen wahrnehmen. So gesehen wäre Augenhöhe demnach ein lebendiges Gleichgewicht – kein fertiges Ziel, sondern ein fortlaufendes Austarieren zwischen Nähe, Autonomie und gegenseitigem Respekt.
Hinweis: Der obige Artikel dient der allgemeinen Information und enthält keinen individuellen therapeutischen Rat. Er ersetzt keine persönliche Beratung, keine ärztliche oder psychiatrische Abklärung oder Behandlung sowie keine Psychotherapie.
In Berlin biete ich Einzelpersonen und Paaren meine Begleitung an. Weitere Hinweise finden Sie unter Einzeltherapie und Paartherapie.