Konfliktspiralen in Beziehungen – systemische, emotionsfokussierte und schematherapeutische Perspektiven
Veröffentlicht in Paarbeziehung

Konfliktspiralen in der Paartherapie
In der Paartherapie in Berlin berichten mir Paare immer wieder, dass sie in konflikthafte Kommunikationsschleifen geraten – verbal (im Gesagten, z. B. Vorwürfe, Rechtfertigungen) oder nonverbal (durch Körpersprache, Rückzug, Schweigen). Es sind Konfliktspiralen, Dynamiken aus Aktion und Reaktion, häufig aus Verfolgung und Flucht. Das bedeutet etwa, dass ein*e Partner*in auf ihr Gegenüber zugeht, etwas will – Aufmerksamkeit, Verständnis, emotionale Nähe, Klärung –, die*der andere Partner*in aber, etwa weil sie*er sich eingeengt oder kritisiert fühlt, zurückweicht. Konkret, indem sie*er den Raum verlässt oder die Tür hinter sich schließt. Oder wenn jemand eher emotional in den Rückzug nach innen geht und schweigt.
Systemische Perspektiven auf zirkuläre Paarkommunikation
Aus systemischer Sicht betrachten wir diese Muster als ein zirkuläres Zusammenspiel beider Partner*innen, nicht als individuelle Schuldfrage. Es sind – so die systemische Annahme – kommunikative Kreisläufe, Rückkopplungen und Wechselwirkungen, in die beide verstrickt sind. Gefragt wird nach „guten“ Gründen, weswegen Partner*innen in solchermaßen diskursiven Teufelskreisen agieren. Vielleicht auch, ob jene „guten“ Gründe auch anders, als über einen Teufelskreis (Circulus vitiosus) angestrebt werden sollen. Das Paar – und die einzelnen Partner*innen – schaut also auf das kommunikative Muster, seine Besonderheiten und seine Verläufe – wann es beobachtungsgemäß zum Beispiel besonders intensiv oder häufig auftritt, beziehungsweise wann das ausnahmsweise weniger geschieht; ob es mit bestimmten Phasen einer Beziehung zusammenhängen erlebt wird; wie es jeweils endet und so weiter –.
Zudem sind Paare eingeladen nach dem Warum zu fragen. Worum geht es? Warum macht man es so – und nur so gegebenenfalls –? Was wurde bereits unternommen – oder unterlassen –, um es so nicht ablaufen zu lassen? Wie werden bisherige Lösungsversuche des Paares von beiden Partner*innen bewertet? Und: Ist die Konfliktspirale gegebenenfalls selbst ein Lösungsversuch, vielleicht sogar der beste, den ein Paar derzeit hat? Und noch weitergehend: Wozu ist es aus eurer Sicht als Partner*innen vielleicht sogar nützlich, so miteinander in einer Streitspirale zu agieren?
Typisch für eine systemische Haltung ist dabei auch das Hypothetisieren und das zirkuläre Fragen: Welche Sicht könnte die andere Person auf das Geschehen haben? Welche Bedeutungen werden gegenseitig zugeschrieben? Dabei richtet sich der Blick womöglich auch auf das Gesamtsystem Paarbeziehung. Partner*innen sollen sich fragen, ob darin eventuell Ressourcen, Fähigkeiten oder Potentiale vorhanden sind, die sie bei der Konfliktbewältigung als nützlich bewerten.
Fokus auf Emotionen in der Emotionsfokussierten Paartherapie (EFT)
In der emotionsfokussierten Arbeit wird gefragt, ob unter dem Teufelskreis nicht verletzte Gefühle und unerfüllte Bindungsbedürfnisse liegen – also eine tiefere emotionale Bedeutungsebene.
Im Fokus der EFT-Arbeit steht die Frage, ob angenommene und vermutete tieferliegende Gefühle und Bindungsbedürfnisse hinter Konflikten sichtbar werden. Oft zeigt sich in einem Streit nicht nur Ärger oder Vorwurf, sondern darunter liegt – einem emotionsfokussierten Verständnis nach – primär zum Beispiel eine Angst vor Zurückweisung, ein Bedürfnis nach Sicherheit oder ein Wunsch, gesehen und angenommen zu sein. Gefragt wird dabei auch nach sogenannter Bindungsangst oder Verlassenheitsangst (Verlustangst).
Partner*innen werden eingeladen, verdeckte Emotionen einander offen mitzuteilen – und mit Mitgefühl auf diese Mitteilung zu reagieren. Aus der EFT-Perspektive wird gefragt: Welche primären Gefühle – zum Beispiel Verletzlichkeit, Sehnsucht oder Angst – stehen vielleicht unter den sekundären Gefühlen und Reaktionen wie Wut oder Schweigen? Partner*innen sollen so nach einem neuen Zugang zueinander suchen und sich um eine emotionale (Wieder-)Verbindung bemühen.
Die Emotionsfokussierte Paartherapie nimmt Bindung und emotionale Sicherheit als Grundbedürfnis in Partnerschaften an. Partner*innen sollen eine emotionale Bedeutungsebene und Bindung einander erlebbar machen. Zudem sollen sie nach einer Entschärfung von Konfliktspiralen suchen.
Sichtweisen auf Konfliktspiralen aus der Schemaarbeit mit Paaren
Teufelskreise lassen sich aus einer Schemaperspektive auch als sogenannte Moduszirkel beschreiben. Partner*innen geraten dieser Deutung nach in typische Bewältigungsmodi (z. B. Rückzug, Angriff, Anpassung). Biografische Schemata, d. h. in der Kindheit oder Jugend erlernte Muster von Gefühlen, Erwartungen und Überzeugungen, werden dieser Sichtweise nach getriggert. Aus schematherapeutischer Sicht sind dabei etwa Kind-Modi (z. B. verletztes Kind, wütendes Kind) oder Eltern-Modi (z. B. kritischer Elternmodus) typisch, die in Reaktion aufeinander aktiviert werden. Anstatt Bedürfnisse direkt zu zeigen, verstricken sich Partner*innen in dysfunktionale Reaktionsschleifen. Das wäre eine Perspektive aus der Schemapaartherapie.
Hinweis: Der obige Artikel dient der allgemeinen Information und stellt keinen individuellen therapeutischen Rat dar. Er ersetzt keine Beratung, keine ärztliche und psychiatrische Abklärung und Behandlung sowie keine Psychotherapie.
Paaren und Einzelpersonen, die sich und ihre Beziehung sowie ihre Konfliktdynamik ins Gespräch bringen möchten, biete ich in Berlin Pankow Paartherapie und Einzeltherapie an. Das Angebot an Beratung und Psychotherapie nach dem Heilpraktikergesetz richtet sich an Selbstzahler*innen. Eine Möglichkeit zur Abrechnung mit einer gesetzlichen Krankenkasse besteht nicht.
Weiterlesen zum Thema Streit: Streit um Sex in Beziehungen.