Zusammenhalt – Was Paare verbindet
Veröffentlicht in Paarbeziehung
Zusammenhalt – Was hält Paare zusammen?
Viele Paare erleben Phasen, in denen Nähe, Verständnis oder Leichtigkeit in der Beziehung abnehmen. Im Gespräch stellt sich dann oft die Frage: Was hält uns eigentlich zusammen? Der Begriff „Zusammenhalt“ steht hier als Bild für das, was Partner*innen verbindet – auch dann, wenn die emotionale Temperatur einer Beziehung schwankt.
Manche Paare beschreiben mir in einer Paartherapie diesen Zusammenhalt als etwas Selbstverständliches, das einfach „da“ ist. Andere berichten, dass sie ihn im Laufe der Jahre als brüchig erlebt haben. Sie fragen sich, ob er noch einmal neu gepflegt werden will, ob er sich überhaupt herstellen oder festhalten lässt.
Beziehung als lebendiges System
Aus systemischer Sicht ist eine Paarbeziehung ein lebendiges, sich ständig veränderndes System. Partner*innen stehen mitsamt ihren Gefühlen, ihrem Denken und Kommunizieren, ihrem Handeln und Unterlassen in einem wechselseitigen Austausch und beeinflussen einander – und ihr Beziehungssystem. Das, was eine Person fühlt, tut oder vermeidet, wirkt auf die andere zurück. So entsteht, diesem Verständnis nach, ein gemeinsames Beziehungsgeschehen – ein „Wir“, das sich mit jedem Schritt weiterentwickelt. Und, um es noch ein wenig komplizierter zu machen: Das System Beziehung in seiner Qualität beeinflusst womöglich reziprok auch die beiden Partner*innen, die am System teilnehmen. Womöglich wird nicht jedes Beziehungssystem in seiner Ausgestaltung als wir-förderlich wahrgenommen.
Dieses „Wir“ braucht womöglich Pflege und Aufmerksamkeit. Wenn die Verbindung zu sehr auf den Prüfstand gerät oder selbst zur Prüfung wird – etwa durch Überlastung, unausgesprochene Erwartungen oder lang andauernde Konflikte oder durch externe andere Systeme, die das System Paarbeziehung herausfordern – wird das Erleben von Nähe und Zusammengehörigkeit mitunter als vorübergehend in den Hintergrund tretend erlebt. Hier zeigt sich vielleicht auch, wie tragfähig das Fundament ist, auf dem die Beziehung steht – beziehungsweise was für eine Beziehung auch ein Zuviel darstellt.
Das Fundament einer Beziehung
In meiner Arbeit befrage ich Paare häufig danach, was sie als tragend für ihre Beziehung ansehen. Die Antworten fallen sehr unterschiedlich aus. Manche sprechen von Zärtlichkeit, Sexualität oder Intimität, die sie als Ausdruck von Nähe und Vertrauen erleben. Andere nennen die gegenseitige Verantwortungsübernahme – das Gefühl, füreinander da zu sein und sich im Alltag gegenseitig zu stützen.
Ein weiterer Bereich ist das Familiesein – ob mit Kindern, mit älteren Angehörigen oder in einer erweiterten familiären Struktur. Auch das Erleben, gemeinsam durch Krisen gegangen zu sein, wird oft als verbindend beschrieben. Viele Paare empfinden Stolz darüber, was sie miteinander bewältigt haben.
Oft geht es auch um eine gemeinsame Geschichte: die Erzählung, wie man sich gefunden hat, wer man miteinander ist und was einen geprägt hat. Diese Erzählung stiftet manchen Paaren Identität – sie vermittelt in der Wahrnehmung dieser Paare ein Gefühl von Zugehörigkeit und Sinn. Dazu gehören vielleicht auch Vorstellungen davon, was man miteinander noch werden möchte: eine Art Zukunftsbild, in dem sich beide wiederfinden.
Auch materielle und strukturelle Sicherheiten spielen eine Rolle. Das betrifft gemeinsame Projekte, Wohnung oder Haus, finanzielle Stabilität oder gegenseitige Vorsorge. Aus der Perspektive mancher Paare geben solche Aspekte Halt, aus der Sicht anderer aber verlieren sie ihre verbindende Wirkung, wenn Konflikte oder Enttäuschungen herausfordern.
Wenn das Tragende aus dem Blick gerät
In konflikthaften Zeiten verlieren Paare manchmal den Zugang zu dem, was sie früher getragen hat. Wenn Streit, Verletzung oder Rückzug überwiegen, ist der Zusammenhalt für sie kaum spürbar. Ein tragendes Liebesgefühl scheint für manche Paare dann weit entfernt.
Solche Phasen sind nicht ungewöhnlich. Im Erleben vieler Paare gilt: Emotionen wie Ärger, Enttäuschung oder Scham fordern eine Beziehung heraus – sie stehen nicht selten auch Zärtlichkeit oder Nähe im Weg. In der Regel geht es diesen Paaren letztlich nicht darum, dass diese Gefühle verschwinden, sondern darum, dass sie wieder in einen Zusammenhang gestellt werden: Was steht dahinter? Was ist bedroht oder unsicher geworden? Und, dass diese Emotionen gesehen und gewürdigt werden.
Eine Einladung zur Reflexion
Zusammenhalt zeigt sich nicht nur in einzelnen Handlungen, sondern gegebenenfalls auch in der Haltung, mit der Partner*innen einander begegnen. Paare möchten sich vielleicht – im Sinne einer Selbstbeobachtung – fragen:
- Was ist für uns das Tragende in unserer Beziehung?
- Woran erkennen wir, dass wir verbunden sind?
- Welche Elemente unseres Fundaments geraten in schwierigen Phasen aus dem Blick?
- Was gehört zu unserer gemeinsamen Geschichte, worauf dürfen wir stolz sein?
- Welche Zukunft möchten wir als Paar gestalten?
Es ist erlaubt, wenn es so für ein Paar als stimmig erlebt wird, solche Fragen als Einladung zu verstehen, die Aufmerksamkeit auf das zu lenken, was bereits vorhanden ist – auch wenn es im Moment nicht spürbar scheint.
Zum Schluss
Jede Paarbeziehung hat womöglich eine Art eigenen Zusammenhalt. Woraus er besteht, das darf ein Paar individuell für sich schauen. Vielleicht besteht er aus erlebter Nähe, aus gemeinsam Gewachsenem, aus kleinen und großen Momenten gegenseitiger Unterstützung. Es ist erlaubt, das Fundament der eigenen Beziehung (wieder) bewusst in den Blick zu nehmen und sich zu fragen, was trägt.
Hinweis: Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und als Impuls zur Selbstreflexion. Er stellt keinen individuellen therapeutischen Rat dar und ersetzt keine individuelle Beratung, ärztliche oder psychiatrische Abklärung und Behandlung sowie keine Psychotherapie.
Paare, die ihre Beziehung ins Wort bringen möchten, biete ich in Paartherapie meine Begleitung in Berlin an. Mehr dazu hier: Paartherapie.