Negative Bindungs- und Beziehungserfahrungen als Thema in der Paartherapie
Veröffentlicht in Paarbeziehung

Negative Bindungs- und Beziehungserfahrungen als Thema in der Paartherapie: Ein Paar streitet über eine Kleinigkeit – doch plötzlich fühlt es sich an, als ginge es um viel mehr. Alte seelische Verletzungen aus der Vergangenheit sind wieder da. In meiner Paartherapie in Berlin höre ich mitunter, dass im Erleben von Partner*innen vergangene und negative Bindungserfahrungen im Hier und Jetzt sozusagen wieder erinnert werden. Beziehungspersonen und ihr Verhalten haben in der Wahrnehmung von Partner*innen dann Ähnlichkeiten mit früheren Bindungspersonen.
Und ja, in einer Paartherapie sprechen Partner*innen manchmal mehr als ein Kommunikationsproblem an. Sie berichten zum Beispiel auch individuelle und biografisch bedingte Herausforderungen und dass sie diese in Beziehungen erinnern, neu und wieder erleben (emotional, gedanklich) und dass dies das Beziehungsgeschehen beeinflusst.
Sie berichten aber auch von einem umgekehrten Weg. Aufgrund einer bestimmten Beziehungssituation werden im Erleben einzelner oder beider Partner*innen sozusagen Erinnerungen an unangenehme Erfahrungen aktualisiert. Es fühlt sich dann sozusagen an, als ob man sich über bestimmte Trigger, d. h. Auslösereize – zum Beispiel Situationen, Worte, Gestik, Mimik –, aktiviert fühlt – gemeint ist damit, dass eine aktuelle Situation alte Gefühle oder Verletzungen berührt.
Anders gesprochen: Im Erleben einzelner oder beider Partner*innen wird in einer Paarbeziehung Vergangenheit vergegenwärtigt, bzw. eine bestimmte Gegenwart in einer Paarbeziehung führt in die Vergangenheit.
Strategien und Notbehelfe in bedrohlichen Beziehungssituationen
Menschen berichten auch von negativen und unangenehmen Vorerfahrungen in anderen Beziehungen und abträglichem Bindungserleben in der Kindheit: etwa von mangelnder Fürsorge durch die Mutter, von Vernachlässigung und von Gewalterfahrungen etc. Sie haben, so berichten sie, notgedrungen sozusagen Bewältigungsstrategien im Umgang mit herausfordernden Beziehungssituationen erlernt. Befinden sich Menschen in einer als bedrohlich erlebten Situation, greifen sie häufig automatisch auf erlernte Reaktionsmuster zurück.
Fühlen wir uns Menschen bedroht, reagieren wir zum Beispiel mit Gegenangriff, Flucht oder Einfrieren. Letzteres geschieht etwa, wenn wir uns weder verteidigen noch flüchten können. Das gilt auch in Beziehungen, in denen uns die gegenwärtige Situation vielleicht an frühere und ungute Bindungen erinnert. Auch in gegenwärtigen Beziehungen greifen Menschen dann vielleicht auf solche Muster zurück.
Manchmal wird auch von Bindungsstilen gesprochen. Demnach erleben manche Menschen mit unsicherem Bindungsstil in Partnerschaften schneller Angst vor Verlust oder Zurückweisung. Andere berichten, dieser Lesart nach, von einer Tendenz, Nähe eher zu vermeiden. So wird etwa von Bindungsangst oder Verlustangst gesprochen, wenn alte Beziehungserfahrungen aktuelle Partnerschaften prägen.
In der Paartherapie geht es nicht darum, in Schubladen zu stecken, sondern darum, nach Muster und nach einem eventuellen Einfluss auf eine aktuelle Beziehung zu fragen.
Gepäck aus früheren Erfahrungen?
Manche Partner*innen sprechen in diesem Zusammenhang auch von frühen Bindungserfahrungen oder von seelischen Verletzungen aus der Kindheit, die in aktuellen Beziehungen wieder spürbar werden.
Partner*innen fragen sich vielleicht, ob etwa heftige emotionale Reaktionen, eine starke sympathische Aktivierung und psychovegetative Erregung der Situation angemessen sind. Ist das nur, wie wir uns streiten? Man fragt einander dann, ob nicht etwa sozusagen Gepäck etwa aus Kindheit und Jugend, aus der weiteren Biografie und aus früheren Beziehungen stammen. Ist das aus der Paardynamik allein zu erklären, oder spielen frühere Negativerfahrungen mit hinein? Eine wichtige Frage ist dann auch, ob Partner*innen dieses Gepäck bereits angeschaut haben, etwa in einer Psychotherapie. Zudem ist die Frage erlaubt, was für einzelne und beide Partner*innen ein guter – auch gemeinsamer – Umgang mit diesem Gepäck ist.
Dieser Beitrag ersetzt keine ärztliche Abklärung und Behandlung. Er ersetzt auch keine Psychotherapie. Zu einer Art von „Selbstdiagnose“ soll er nicht verwendet werden.
Über mein Angebot an Psychotherapie nach dem Heilpraktikergesetz in Einzeltherapie informiere ich hier: Einzeltherapie.