Beziehung mit einem narzisstischen Partner – Erfahrungen und Dynamiken
Veröffentlicht in Paarbeziehung

Beziehung mit einem „Narzisst“ – was Betroffene erleben
Viele Menschen berichten mir von Erfahrungen aus einer Beziehung mit einem narzisstischen Partner – und benutzen den Begriff „Narzisst“ – zum Beispiel in einer Paarberatung bei mir –, wenn sie das Gefühl haben, an der Seite eines sehr selbstbezogenen oder egoistischen Partners zu leben. Typisch sind Beschreibungen von fehlender Augenhöhe, geringer Resonanz auf eigene Bedürfnisse und einem ständigen Ringen um Anerkennung. Manche Partner*innen berichten, dass sie sich an der Seite eines solchermaßen ichbezogenen Menschen emotional „verhungert“ fühlen.
Im Alltag dient das Wort „Narzisst“ oft als Etikett für selbstverliebtes oder selbstüberhöhtes Verhalten. In der Psychotherapie hingegen bezeichnet „narzisstische Persönlichkeitsstörung“ eine klar definierte Diagnose – die ausschließlich von Fachpersonen gestellt wird. In diesem Beitrag geht es nicht um Diagnostik, sondern darum, welche Muster Betroffene in ihren Beziehungen schildern.
Beziehung mit einem egoistischen oder selbstverliebten Menschen
„Narzisst“ ist oftmals ein Label, das Partner*innen zur Klassifizierung eines selbstbewussten, auf Kritik wütend oder gekränkt reagierenden oder einfach als gefühlsarm wahrgenommenen Menschen, an dessen Seite sie sich ohne Augenhöhe emotional „verhungert“ fühlen. Manchmal wird dieser Begriff auch in einer hitzigen Debatte oder einem partnerschaftlichen Konflikt verwendet. Für manche Partner*innen bringt das Benennen solcher Muster vielleicht auch ein Stück Kontrolle und Deutungshoheit zurück.
Es gibt wohl eine Bandbreite zwischen sehr selbstsicher und selbstbezogen, über egoistisch bis hin zu einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Letztere zu diagnostizieren obliegt ausschließlich fachkundigen Personen. Hier verwenden wir den Begriff „Narzisst“ allgemein, nicht im klinischen Sinn.
Was Partner*innen gerne als „narzisstisch“ verstehen
- Kritikunfähigkeit: Es wird im Gegenüber wenig Bereitschaft, sich zu reflektieren, zu verändern oder sich einfühlsam in die Sichtweise des*der Anderen hineinzuversetzen. Vielleicht führt Kritik nicht selten auch zu einer wütenden Reaktion – oder zu einem gekränkten Rückzug.
- Ungleichgewicht im Geben und Nehmen: Partner*innen beschreiben ihr Gegenüber so, dass es viel erwartet, aber wenig zurückgibt.
- „Mauern“: Rückzug hinter eine kommunikative Mauer, etwa nach einer Kränkung oder wenn Veränderungswünsche geäußert wurden.
- Durchlässige Mauer: Manchmal gibt es, so die Beobachtung, Zuwendung, die jedoch wieder entzogen wird – oft nach Kritik. Dieses Wechselspiel hinterlässt Betroffene verunsichert.
- Leichte Kränkbarkeit: Wünsche oder Anregungen werden als Angriff verstanden; darauf folgen Gegenangriff, beleidigter Rückzug oder emotionale Kälte.
Was noch als „narzisstisch“ empfunden wird
- Suche nach Bewunderung und Bestätigung: Vom Partner oder der Partnerin wird ständige Anerkennung verlangt, manchmal bis hin zu selbstüberhöhendem Verhalten oder Prahlerei.
- Dysbalance der Macht und Verlust von Augenhöhe: Betroffene beschreiben, dass sie in einer untergeordneten Rolle feststecken, während die andere Person dominant und sehr selbstsicher auftritt. Hinter dieser Fassade wird manchmal auch eine innere Leere vermutet.
In Beziehung mit einem „narzisstischen“ Menschen
In solchen Beziehungen berichten Betroffene also oft von wenig Mitgefühl – sehr wohl aber starker Selbstbezogenheit. Manche Menschen erleben abwertende Reaktionen, Wut oder beleidigten Rückzug, wenn Kritik geäußert wird. Statt empathischer Resonanz steht das Bedürfnis nach Bewunderung im Vordergrund. Manche Partner*innen schildern, dass sie sich von ihrer Beziehungsperson irgendwie abhängig fühlen und glauben, sich unterordnen zu müssen, damit die Beziehung „funktioniert“. Oder, dass sie die Beziehungsperson durch Liebe irgendwann zum Besseren verändern könnten.
Weiterführend: Toxische Beziehung und negative Beziehungsmuster
Einordnung und Grenzen
„Narzisstisch“ ist kein diagnostischer Fachbegriff, sondern eine alltagssprachliche Beschreibung für als belastend empfundene Verhaltensweisen. Nicht alle oben genannten Punkte müssen zutreffen, und es gibt viele Abstufungen. Entscheidend ist, wie sich das Erleben subjektiv auf Wohlbefinden, Autonomie, Sicherheit und Respekt auswirkt. Und es ist erlaubt, zu fragen, ob man in einer Beziehung unter diesen Vorzeichen verbleiben möchte – oder, was einen wider besseren Wissens in einer solchen Konstellation hält.
Selbstreflexion: Warum bleibe ich in dieser Beziehung?
Viele Betroffene fragen sich, weshalb sie trotz belastender Erfahrungen in einer Beziehung mit einer*einem „narzisstischen“ Partner*in verharren und wie sie ihr eigenes Verhalten, die*den Partner*in und sich selbst einschätzen sollen.
Nachfolgende Fragen sind als Impuls zur Selbstreflexion gedacht. Die Antworten mögen individuell ausfallen. Es ist erlaubt, sich für die Selbstreflexion Zeit zu nehmen. Selbstverständlich ersetzen diese Fragen und eine Selbstreflexion keine Beratung oder Therapie:
- Welche Bedürfnisse erfüllt diese Beziehung – trotz aller Schwierigkeiten – für mich?
- Gibt es Hoffnungen oder Erwartungen, dass sich mein Gegenüber noch verändert?
- Glaube ich insgeheim daran, dass ich mit viel Liebe etwas bewirken könnte?
- Wie gehe ich mit Konflikten um – Rückzug, Anpassung, Streit?
- Fühle ich mich eher klein gemacht oder gestärkt in dieser Beziehung?
- Welche Angst verbinde ich mit einer Trennung – Verlust, Einsamkeit, Unsicherheit?
- Was bräuchte ich, um meine eigenen Grenzen klarer zu schützen?
- Wie gut kann ich für mich selbst einstehen und pflege eine erfüllende Beziehung zu mir selbst?
Hinweis: Der obige Beitrag beschreibt typische Beziehungsmuster, wie sie von Betroffenen geschildert werden. Die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung obliegt ausschließlich dafür qualifizierten Fachpersonen. Eine Selbstdiagnose über diesen Artikel kann und soll nicht vorgenommen werden. Dieser Artikel ersetzt keine ärztliche oder psychiatrische Abklärung und Behandlung sowie keine Psychotherapie.
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