Angst vor Sex – Wenn Nähe in einer Beziehung zur Herausforderung wird
Veröffentlicht in Paarbeziehung, Sex und Sexualität

In manchen Paarbeziehungen zeigen sich Ängste oder Abneigungen gegenüber Sex nicht nur individuell, sondern auch im Miteinander. Häufig geraten Paare in Dynamiken: Ein*e Partner*in zieht sich zurück, die*der andere drängt – beide fühlen sich unverstanden. Angst wird dann leicht mit Ablehnung verwechselt, Rückzug mit Desinteresse. Oftmals herrscht Unwissen und Unverständnis gegenüber einer Angst vor Sex. Ein Nein zum Sex mit der*dem Partner*in – überhaupt mit sexueller Annäherung, körperlich oder verbal – wird als Zurückweisung interpretiert und missverstanden.
Ganz grundsätzliche Fragen tauchen dann in der Beziehung auf und stehen im Raum: Bin ich (nicht) attraktiv? Liebt er*sie mich nicht (mehr)? Ist eine Beziehung vor dem Aus? Aber auch: Darf ich Nein sagen? Muss ich über meine Grenzen gehen, um die Beziehung zu halten? Wie äußere ich mein Nein? Manchmal muss man es gar nicht verbal aussprechen. Ein*e Partner*in spürt es gegebenenfalls, weil Berührungen mit einem Zusammenzucken, Wegziehen und dem Weggehen beantwortet werden.
Abneigung, Angst, Furcht und Ekel
Dass es Angst vor Sex – in der Fachsprache auch „sexuelle Aversion“ genannt – gibt, ist vielleicht nicht jedem bekannt. Gemeint sind Furcht, Abneigung oder sogar Ekel im Zusammenhang mit Sexualität. Mitunter wird bei sexuellem Kontakt eine starke Angst erlebt – manchmal sogar schon dann, wenn über Sexualität gesprochen oder Sex vorgestellt wird. Der Begriff Aversion kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Abneigung.
Das Thema Sex ist für manche Menschen also mit negativen Gefühlen wie Angst, Furcht oder Ekel verbunden. Obgleich man sich vielleicht – scheinbar paradoxerweise – Intimität und sexuellen Kontakt mit der*dem Partner*in wünscht, tritt zugleich Widerstand auf. In Beschreibungen werden Angstreaktionen bis hin zur Panik genannt. Die Abneigung oder Angst bezieht sich vielleicht grundsätzlich auf alle sexuellen Inhalte oder nur auf bestimmte Situationen oder Praktiken.
Unverständnis in der Paarbeziehung
Ich erlebe in meiner beratenden Arbeit mit Paaren, dass ein Verständnis für das Betroffensein von Abneigungen und Sexualängsten unter Partner*innen nicht immer gegeben ist – oft aus Unkenntnis zum Thema. Auf der Paarebene herrschen vielleicht Unverständnis, Frustration oder ein Wettbewerb über Mitgefühl – Angst vor Sex und ein Sich-Abgewiesen-Fühlen aufgrund ausbleibenden Sexes werden von Partner*innen mitunter in einen Gegensatz gestellt. Nicht selten wird dann darum gerungen, wer hier mehr herausgefordert ist – zirkulär sozusagen in einer Streitspirale.
Vielleicht fühlen sich Paare auch einfach überfordert und hilflos. Oder man überschreitet miteinander – ohne böse Absicht – Grenzen, weil man sich zu viel zutraut, sich verpflichtet fühlt, Angst vor einem drohenden Beziehungsaus hat – oder weil man eigene Grenzen und die des Gegenübers gar nicht (er)kennt.
Schweigen und Vermeiden
In manchen Fällen wird auch von einer generellen Vermeidung sexueller Situationen berichtet. Man versucht so, das Erleben von Angst zu umgehen. Beide Partner*innen einigen sich hier – mehr oder weniger ausgesprochen – darauf, keinen Sex mehr zu haben. Eine (unbeabsichtigte) direkte Konfrontation mit Sexualität wird so vermieden. Gleichwohl können innere Sehnsüchte, Frustration oder ein Druck bestehen bleiben – etwa die Frage, ob eine Partnerschaft ohne Sexualität tragfähig ist.
Fachliche Einordnung
In der internationalen Klassifikation der WHO (ICD-10) wird „sexuelle Aversion oder mangelnde sexuelle Befriedigung“ unter F52.1 aufgeführt. Gemeint ist eine Form von Störung des sexuellen Wollens (Appetenz). Für eine solche Einordnung müssen jedoch bestimmte Kriterien erfüllt sein, die hier nicht weiter ausgeführt werden. Zu einer Einordnung gehört zum Beispiel der Ausschluss medizinischer Ursachen durch eine ärztliche Abklärung und eine psychodiagnostische Einschätzung im Kontext von Psychotherapie.
Für Paare geht es darüber hinaus vielleicht um ihren Umgang mit Angst, Rückzug oder Abneigung in einer Beziehung. In einer Paarsexualberatung besteht die Einladung, gemeinsam zu fragen, ob und wie beide Partner*innen angesichts dieses Themas ihre Beziehung gestalten möchten.
Hinweis: Der oben stehende Beitrag dient ausschließlich der allgemeinen Information. Er ersetzt weder eine Beratung noch eine eine ärztliche, psychiatrische oder psychotherapeutische Abklärung und Behandlung. Der Text ist nicht zur Selbstdiagnose geeignet und bestimmt.
Autor: Ferdinand Krieg. Heilpraktiker beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie.
Weiterbildungen: Systemische Therapie und Beratung (SG). Systemische Paartherapie (SIH). Sexualtherapie (DGfS). Mitgliedschaften: DGfS, SG, Fachverband Sexologie Schweiz (FSS). Berufsbegleitendes Masterstudium der Sexologie.
Hinweise über mein Gesprächsangebot für Paare und Einzelpersonen finden Sie hier: Sexualtherapie und Paartherapie. Ich arbeite in Berlin Pankow.