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Foto: Kein Orgasmus – Sexuelles Problem in der Beziehung

Kein Orgasmus – Sexuelles Problem in der Beziehung

Kein Orgasmus – Sexuelles Problem in der Beziehung

Kein Orgasmus – Sexuelles Problem in der Beziehung: Das Ausbleiben eines Orgasmus beim Sex – individueller Solosex und / oder beim Paarsex – stellt für Betroffene mitunter eine Herausforderung dar. Für die Person, die den Orgasmus nicht erreicht, ggf. auch für die*den Beziehungs- und Sexualpartner*in. Von einem ausbleibenden oder verzögerten Orgasmus können Frauen und Männer betroffen sein. Eine Orgasmusstörung als sexuelle Funktionsstörung tritt bei Frauen häufiger als bei Männern auf.

Orgasm Gap, Druck, Bestätigung

Bekannt ist mittlerweile, dass es einen Orgasm Gap (Orgasmuslücke) gibt, Männer häufiger beim heterosexuellen Sex zum Orgasmus kommen als Frauen. Hier besteht bereits grundsätzlich ein Ungleichgewicht bei heterosexuellen Sexualkontakten. Daher hört man die berechtigte Forderung: Ich darf mich als Frau mehr in den Fokus bringen, was mein Erreichen eines Orgasmus angeht. Und diese Forderung richtet sich auch an den Mann als Sexualpartner, dass er mehr auf die Frau und ihre Erregung beim Sex eingehen soll. Vielleicht kommt noch hinzu, dass ein männlicher Sexualpartner seinem Selbstbild als Liebhaber entsprechend, seiner Sexualpartnerin einen sexuellen Höhepunkt bereiten möchte. So wird in diesem Denken der (ausbleibende) Orgasmus der Frau zum angeblichen Nachweis vermeintlicher (nicht vorhandener) Liebhaberqualitäten des Mannes.

Frauen die beim Paarsex keinen Orgasmus erzielen können, geraten womöglich unter Druck. Sie möchten für sich, vielleicht auch für ihre*n Sexualpartner*in einen Orgasmus herstellen. Zur Bestätigung, vielleicht auch zur Selbstbestätigung. Sozusagen als Ausweis: Du warst gut. Du hast es toll gemacht. Du kannst mich befriedigen. Und: Ich bin zum Orgasmus fähig! Oder eben naheliegend: Für den eigenen Genuss! Diese wichtigen Forderungen und Wünsche mögen sich für Betroffene, die keinen Orgasmus erreichen, vielleicht auch zwiespältig anfühlen. Sie sensibilisieren, sie werfen vielleicht aber auch die Frage auf: Habe ich ein sexuelles Problem?

Kein Orgasmus als Problem für die Beziehung

In Berlin arbeite ich mit Einzelpersonen und Paaren zu den Themen Sexualität und Partnerschaft. Insofern Partner*innen sexuelle Probleme erleben, sind sie damit nicht unbedingt allein konfrontiert. Die sexuelle Problematik wird gegebenenfalls sowohl in der Solosexualität als auch in der Paarsexualität erlebt. Mitunter kommt es auch zu einem indirekten Problem, wenn etwa ein*e Partner*in mit dem Vorhandensein eines sexuellen Problems unzufrieden ist und Kritik übt. Mitunter bedeutet dies: Man nimmt das sexuelle Problem nun um der Beziehung willen nicht einfach so hin. Obgleich man es ohne Kritik durch die*den Partner*in vielleicht als weniger problematisch empfindet. Oder es ist ein Kummer drüber, dass ein Partner*in darin ein Problem sieht, man selbst aber auch – auch für sich höchstpersönlich sozusagen, in- oder außerhalb einer Beziehung –.

Paardynamik: Frustration und Streit mit der*dem Partner*in

Kein Orgasmus – Sexuelles Problem in der Beziehung: Gerät das sexuelle Problem einer Anorgasmie (Orgasmusstörung, ausbleibender Orgasmus) in den Fokus der Paardynamik, und es schlecht läuft, gibt es hierüber Frustrationen und Beziehungsprobleme. Möglicherweise wird auch um das Thema gestritten. Selbst wenn man Respekt- und liebevoll miteinander umgeht, ist gegebenenfalls das Thema des ausbleibenden Orgasmus mitunter dennoch im Raum. Insofern mitunter eine Beziehungsstabilität fehlt oder nicht gelernt wurde, miteinander vertrauensvoll über Sexualität und sexuelle Wünsche zu sprechen, kommt dies noch erschwerend hinzu. Vielleicht gibt es auch Missverständnisse, was woran wie liegt und wer hier wie ursächlich sei. Schweigen und Vermeiden sind vielleicht ein Notlösung, ein Notbehelf eines Paares im Umgang mit dem Problem.

Heterozentrierung – Für den Orgasmus ist mein*e Sexualpartner*in zuständig

Zu erwähnen ist auch, dass bei einer starken Heterozentrierung bei Sex – à la mein Sexualpartner*in ist für meinen Orgasmus zuständig –, Partner*innen wenig Verantwortung für ein eigenes Zutun zum Orgasmus übernehmen. Verantwortung wird hier in hohem Maß delegiert und auch angenommen.

Orgasmusstörung (sexuelle Funktionsstörung)

Es gibt im Übrigen eine Orgasmusstörung, ein eigenständiges sexuelles Problem / Störung, das im Kapitel über psychische Störungen der ICD-10 (Katalog der WHO, Kapitel V (F) unter F 52.3 beschrieben wird. Dort heißt es u. a.: „Der Orgasmus tritt nicht oder nur stark verzögert ein. […] Orgasmusstörungen finden sich bei Frauen häufiger als bei Männern.“ (Zit. aus ICD-10. Internationale Klassifikation psychischer Störungen […]. Dilling, H.; Mombour, W.; Schmidt, M. H. (Hrsg.). Hogrefe- Verlag. 10. Aufl., Bern 2015. S. 264. Auch das DSM-5 kennt als Diagnosekatalog eine „Weibliche Orgasmusstörung“ ([…] DSM-5, Deutsche Ausgabe. Falkai, P.; Wittchen, H.-U. (Hrsg.) und Mitherausgebende. Hogrefe-Verlag. 2. korr. Auflage. Göttingen 2018. S. 587 – 591. Beide Kataloge nennen jeweils bestimmte Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit eine Diagnose gestellt werden kann.

Sexualtherapie (Paartherapie und Einzeltherapie)

In sofern betroffene Personen in Sexualtherapie (als Paartherapie und Einzeltherapie) das Thema eines ausbleibenden Orgasmus besprochen möchten, ist eine ärztliche Abklärung über etwaige organische / medizinische Ursachen wichtig, auch mit der Frage, ob eine ärztliche Behandlung angezeigt ist. Gibt es medizinische Ursachen oder handelt es sich um eine psychogene Anorgasmie? Zu fragen ist auch, ob nicht eher eine vorrangig zu behandelnde psychische Problematik mit den Orgasmusproblemen assoziiert werden sollte.

Neben der Fokussierung des Themas der psychogenen Anorgasmie in der Sexualtherapie, ist auch ein Blick auf die Beziehung ein Angebot. Dazu würde auch Psychoedukation für beide Partner*innen gehören: Was ist ein Orgasmus? Wie entsteht ein Orgasmus? Und die Frage: Welchen Umgang wählt das Paar für sich mit dem ausbleibenden Orgasmus eines*einer Partner*in? Erlaubt ist ein wertschätzender Blick auf das, was in der Paar- und Sexualbeziehung gut läuft. Hat das Paar und die vom ausbleibenden Orgasmus betroffene Person einen Umgang mit dem Problem gefunden, eine Art Notlösung? Wie sicher ist trotz des sexuellen Problems die Beziehung? Wieviel Geduld und Bereitschaft haben beide Partner*innen, sich beispielsweise auf eine Sexualtherapie einzulassen?

Es darf in der Sexualtherapie auch gefragt werden, ob das Ausbleiben eines Orgasmus immer (generalisiert) oder nur manchmal (situativ) auftritt. Ob er von Anfang an (primär) oder ab einem bestimmten Zeitpunkt (erworben) im Sexualleben ausbleibt. Manchmal gibt es Probleme mit dem Erreichen des Orgasmus bei der Selbstbefriedigung und beim Paarsex. Manchmal klappt ein Orgasmus beim Sex mit dem Partner beim Geschlechtsverkehr nicht, bei anderen Formen von Sex zu zweit aber schon.

Zudem darf in der Sexualtherapie auch nach der Art und Weise gefragt werden, die die betroffene Frau, der betroffene Mann versucht, einen Orgasmus zu erzielen – Erregung herstellt, aufrechterhält und steuert –. Es darf also auf Kompetenzen und Fähigkeiten geblickt werden: Wie nutzt die betroffene Person im Solosex und beim Paarsex sexuelle Stimulation? Wie setzt sie sie zur Erregungssteuerung ein?

Eine Menge Fragen, in viele Richtungen!

Dieser Beitrag ersetzt keine ärztliche Abklärung und Behandlung, ersetzt und stellt keine Beratung / Therapie dar. Er soll nicht in selbstdiagnostischer Absicht verwendet werden. 

Ferdinand Krieg

Dipl.-Theologe | Heilpraktiker beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie
Weiterbildungen in Systemischer Therapie und Beratung: Systemischer Paartherapeut (SIH) | Systemischer Therapeut und Berater (SG) | Sexualtherapie (DGfS).

Prenzlauer Promenade 190, 13189 Berlin
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