Unbefriedigender Sex in der Paarbeziehung
Veröffentlicht in Sex und Sexualität

Unbefriedigender Sex in der Paarbeziehung
Unbefriedigender Sex in der Paarbeziehung ist für viele Partner*innen ein Gesprächsthema – und wird nicht selten in einer Paartherapie oder in einer Sexualtherapie bei mir vorgebracht.
Menschen bewerten die Qualität von Sex sehr unterschiedlich – manchmal geht es eher um Quantität, manchmal um die Suche nach einem Sex, der es wert ist gewollt zu werden. Es geht um die Suche nach einem Sex worth wanting, wie es die kanadische Sexualtherapeutin Peggy Kleinplatz einmal ausgedrückt hat. Was ist das, was wir da miteinander Tun? Und wie zufrieden bin ich damit? Im Hinblick auf Erregung einerseits und Lust andererseits. Will ich das wollen? Ist es dieser Sex wert, dass ich ihn will?
Unbefriedigender Sex trotz funktioneller Erregung
Manche Menschen beschreiben das Gefühl, ‚Sex ohne Lust‘ oder ‚Orgasmus ohne Lustgefühl‘ zu erleben – technisch läuft alles, vielleicht auch nach Schema F, aber innerlich fehlt das Gefühl von Nähe und Lust. Sex funktioniert hier technisch einwandfrei. Erregung, Plateauphase (größtmögliche Erregung vor Erreichen des Point of no Return), Orgasmus und Rückbildung (abklingen der Erregung klappen technisch. Es flutscht sozusagen reibungslos. Und trotzdem wünscht man es sich doch irgendwie anders. Nicht immer gelingt es, das genau selbst zu erfassen und zu benennen. Ein anderes Mal weiß man ganz genau, was man sich anders wünscht. Aber es ist einer*einem Partner*in gegenüber irgendwie schwer vermittelbar oder nicht kommunizierbar. Vielleicht mit der Idee: Mein*e Partner*in hört mir ohnehin nicht zu. Sie*er wird mich nicht verstehen. Oder in der Annahme, eine*n Partner*in bei Mitteilung von Veränderungswünschen zu verunsichern oder zu verletzen.
Mangelnde Befriedigung beim Sex und Leidensdruck
Manche Menschen leiden darunter, dass ein Sex irgendwie technisch funktioniert (Erregung wird hergestellt, aufrechterhalten, gesteuert und entladen), sie dabei aber wenig genussvolles Lustgefühl empfinden. Man bleibt sozusagen unbefriedigt zurück, trotz Erreichen des Orgasmus. Dafür gibt es sogar eine eigenständige Diagnose. In der ICD-10 heißt es: „Sexuelle Reaktionen verlaufen normal, aber der Orgamsus wird ohne entsprechendes Lustgefühl erlebt. Frauen klagen häufiger darüber als Männer.“ (Zit. aus ICD-10 Kapitel V (F), Diagnoseschlüssel F52.11, Internationale Klassifikation psychischer Störungen […], Delling, H., Mombour, W. et. al. (Hrsg), Huber-Verlag, 9. Aufl., Bern 2014, S. 263).
Vereinfacht gesprochen kommt es hier – andere und weitere hier nicht erwähnte Kriterien zugrunde gelegt – zu einer Entkoppelung von Lust (Lustgefühl, genußvolles Wollen) einerseits und körperlicher Erregung (physiologische Erregung) andererseits. Wieder anders ausgedrückt: Technisch funktioniert der Sex, aber auf der Seite des Wollens und der Lust funktioniert er nicht. Darunter leidet die betroffene Person.
Manche Menschen beschreiben dieses Erleben als ‚sexuelle Unzufriedenheit‘ oder ‚Lustlosigkeit beim Sex‘ – wobei es streng genommen nicht um Libidoverlust geht, sondern um mangelnde Befriedigung trotz vorhandener sexueller Aktivität. Mit Befriedigung ist hier gemeint, Sexualität zugleich als lustvoll und erregend zu erleben.
Unbefriedigender Sex in der Paarbeziehung? Kompetenz, sich einen Sex Worth Wanting vorzustellen
Zunächst ist es eine Kompetenz, wahrzunehmen, dass einem etwas fehlt, dass nicht wirklich Lust im Spiel ist und man unbefriedigt zurückbleibt. Es ist auch eine Kompetenz, dann auf Spurensuche zu gehen und genauer hinzuschauen, wahrzunehmen und zu beobachten. Vielleicht erinnert man auch einen befriedigenden Sex oder überhaupt eine Zeit, während der ein solcher Sex stattgefunden hat. Da habe ich doch bereits mal was erlebt! Wie war das noch? Und man vergleicht dann. Vielleicht sortiert man sich und sein Erleben, seine Erfahrungen zunächst individuell. Gegebenenfalls möchte man aber auch direkt mit der*dem Partner*in hierüber kommunizieren.
Es ist selbstredend auch denkbar, dass ein Sex deswegen als unbefriedigend empfunden wird, weil etwa ein psychogenes Sexualproblem „funktionstechnisch“ herausfordert (psychogene Orgasmusschwierigkeiten, nichtorganische Scheidenkrämpfe oder psychisch bedingte Erektionsprobleme). Zudem darf auch nach der Haltung und Stimmung gefragt werden, in der sich Partner*innen auf einen vielleicht ganz okayen Beziehungssex einlassen, diesen aber aufgrund von Vorbehalten und anderer „guter Gründe“ nicht genießen möchten. Die Liste lässt sich wohl fortsetzen.
Dieser Beitrag ersetzt keine ärztliche Abklärung und Behandlung, stellt keine Therapie dar und ersetzt diese auch nicht. Er soll nicht zu einer Art Selbstdiagnose verwendet werden. Klären Sie bei einem sexuellen Problem bitte unbedingt ärztlicherseits zunächst ab, ob ein medizinisches Problem vorliegt, das einer ärztlichen Behandlung bedarf. Abzuklären ist auch, ob eine primär zu behandelnde psychische Störung mit einem sexuellen Problem assoziiert wird.
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