Einsamkeit trotz Beziehung – Einsam in einer Beziehung
Veröffentlicht in Paarbeziehung, Sex und Sexualität

Einsamkeit trotz Beziehung – Einsam in einer Beziehung? Warum fühle ich mich trotz Partner*in einsam? Einsamkeitsgefühl in einer Ehe, trotz Partner*in? Ja, das gibt es und es betrifft – so meine Beobachtung aus der Arbeit in der Paarberatung und Sexualberatung in Berlin – verschiedene Bereiche: räumlich und zeitliche Aspekte, eine emotionale Einsamkeit und eine sexuelle Entfremdung – eine Einsamkeit aufgrund fehlender erotischer und sexueller Intimität.
Warum fühle ich mich in der Beziehung einsam?
Warum fühle ich mich in der Beziehung einsam? Diese Frage berührt womöglich unterschiedliche Ebenen – wie oben bereits angedeutet. Ich möchte an dieser Stelle einige Gedanken hierzu aus meiner beruflichen Arbeit teilen. Als Menschen machen wir vielleicht die Erfahrung, dass ein bloßes Beisammensein, eine räumliche Nähe und praktische Zweisamkeit allein, noch kein Verbundenheitsgefühl entstehen lassen. Die emotionale Ebene wird also nicht berührt. Oder: Wenn ein emotionales, aber nicht-sexuelles Angebot an Nähe unterbreitet wird, wir uns aber sexuell abgewiesen und abgelehnt fühlen – emotional gekränkt sind –, ist diese Offerte für uns vielleicht nicht anschlussfähig. Und so verbringen wir Zeit miteinander in einer Beziehung, haben örtlich und räumlich einen Raum für praktische Zweisamkeit, fühlen uns aber dennoch an der Seite des*der Partner*in emotional und sexuell einsam.
Einsamkeit und mangelnde emotionale Verbindung
Vielleicht erleben wir, dass wir zwar Zeit miteinander verbringen, uns gegebenenfalls sogar viel sehen, es Raum für Treffen gibt. Aufgrund einer mangelnden emotionalen Verbundenheit aber fühlen wir uns dennoch einsam. Man lebt miteinander, ist aber vom Gefühl her nicht verbunden; bis hin zu einsetzender Distanz aufgrund einer „emotionalen Unterkühlung“, etwa im Kontext vielen Streitens, schwelender Machtkämpfe und / oder der Anwesenheit bereits aversiver Gefühle. Was man fühlt und in welcher emotionalen Verfassung man lebt, bleibt übersehen – und damit ein wichtiger Teil von uns. Hier gibt es also keine Einfühlung, keinen emotionalen Perspektivenwechsel, kein mitfühlendes Gesehenwerden. Manchmal gewöhnt man sich auch an, gar nicht erst von Gefühlen und emotionalen Stimmungen mehr zu berichten – weil es im Erleben weniger schmerzlich ist, erst gar nichts mitzuteilen, als auf eine kühle und reaktionslose Wand zu treffen. Wir werden nicht gesehen, bekommen kein Mitgefühl, zeigen uns aber auch nicht (verletzlich und emotional).
Alltag und Verpflichtungen verhindern Zweisamkeit
Auch das ist eine denkbare Konstellation: Zwar wäre man vielleicht emotional verbunden, aber Familienleben, berufliches Handeln und ein routinierter Alltag verhindern wirkliche Begegnungen, verunmöglichen einen emotionalen Kontakt, der Verbundenheit stiftet und auch durch Zeiten räumlicher und zeitlicher Distanz hinweg trägt. Vielleicht hat es auch eine Fokusverschiebung gegeben, im Selbst- und Fremdbild: Ich sehe meine*n Partner*in nur noch als Familienmitglied in der Elternrolle, als Berufstätige*n, als Verwalter*in des Alltags. Und es wird vielleicht gespart an der Liebesbeziehung und am Sexualleben.
Einsam in einer Beziehung ohne Gelegenheit, Wünsche und Bedürfnisse mitzuteilen
Ist keine Zeit da und kein Bemühen um echte Zweisamkeit, unterlässt man irgendwann vielleicht auch das gemeinsame Träumen. Wird nach Wünschen und Bedürfnissen, Zielen und Träumen für unser individuelles und für unser partnerschaftliches Leben nicht gefragt, weil ein*e Partner*in nur Augen und Ohren für anderes hat, offensichtlich desinteressiert ist, uns ablehnt oder weil wir uns damit schwer tun, Bedürfnisse und Wünsche zu äußern, fühlen wir uns vielleicht dabei einsam. Eine gemeinsame Zielversion, von beiden Partner*innen geteilt und erträumt, stiftet vielleicht im gemeinsamen Blick in die Zukunft bereits in der Gegenwart ein Gefühl der Verbundenheit. Aber das unterbleibt. Ich frage Paare so gerne nach ihren gemeinsamen Zielen und beobachte dann, wie sie in einer Paarberatung reagieren – ob im Hier und Jetzt der Gegenwart eine emotionale Beteiligung und Verbindung beim Sinnieren über die Zukunft sichtbar wird oder nicht.
Einsam aufgrund mangelnder oder fehlender sexueller Passung?
Sexualität hat auch mit Liebe und Bindung zu tun, sage ich gerne. Viele Menschen berichten, dass über Sexualität nicht nur Lust und Körperlichkeit ausgedrückt werden, sondern auch Zuwendung, Annahme und Beziehung. Über den Körper zeigen wir einander: Ich liebe dich, ich halte dich. Manche bezeichnen das als „Liebemachen“ – ein vielleicht treffender Ausdruck für die Bindungsdimension von Sexualität.
Auch in der Fachliteratur wird diese Vielschichtigkeit betont. So unterscheidet zum Beispiel die syndyastische Sexualtherapie an der Charité drei Dimensionen von Sexualität: Fortpflanzung, Lust und Beziehung. Diese Perspektive verdeutlicht, dass Sexualität nicht eindimensional verstanden werden muss, sondern immer auch eine Beziehungsebene einschließen darf.
Finden wir sexuell mit der*dem Partner*in nicht zusammen, aufgrund einer mangelnden oder fehlenden sexuellen Passung, beschert uns das vielleicht ein Gefühl, unverbunden und hier im sexuellen Wünschen und Wollen einsam zu sein. Es fehlt uns der Weg, über Sex, Liebe und Verbundenheit auszudrücken, ein Beziehungsgefühl durch Sexualität im Sinn von Liebemachen zu erleben.
Einsam aufgrund von Vermeidung mit der Absicht des Selbstschutzes
Vielleicht vermeiden wir auch, in Verbindung zu gehen, uns für eine Partner*in auch mit Gefühl von Herzen zu entscheiden, seine*ihre Nähe zu suchen und zu halten, weil wir uns bedroht fühlen. Wir wählen ein Alleinsein, vielleicht auch eine Einsamkeit aus vermeintlichen Selbstschutzgründen. Nähe wurde vielleicht als riskant erlebt, ist gegebenenfalls verknüpft mit der Vorstellung, sich an der Seele verletzlich zu machen, wenn wir mit Gefühl eine Verbindung bejahen. Immerhin besteht ja das (vermeintliche) Risiko, eine Enttäuschung zu erleben; etwa durch Verlassenwerden oder Zurückweisungen. Wir befürchten, sozusagen in Bindungsangst, vielleicht einen Verlust und vermeiden gleichsam präventiv überhaupt etwas zu haben, was wir dann verlieren könnten.
Einsam in und mit uns selbst
Auch wenn alles schön ist und wir glücklich verbunden sind, bleibt doch manchmal das Gefühl, dass wir dennoch Individuum sind, letztlich ganz wir als Einzelne. Hin und wieder ist dieses Wissen vielleicht mit einem Einsamkeitsgefühl verbunden.
Fragen nach Gefühlen in einer emotionalen Beziehung
Vielleicht bringt es ein wenig näher, wenn in einer Beziehung wieder (mehr) miteinander gesprochen wird? Damit meine ich auch nonverbale Kommunikation mit dem Körper (Körpersprache und sexuelle Intimität). Im Verbalen geht es dann vermutlich nicht um ein lediglich chronologisches Aufzählen von Inhalten, also nicht um bloße Tätigkeitsberichte. Vielmehr vielleicht auch um eine emotionale Seite. So ließe sich darüber in den Austausch gehen, wie man sich mit dem jeweils Erlebten gefühlt hat. Was also etwas jemandem bedeutet und wie er sich damit fühlt, ließe sich fragen. Was hast du erlebt? Wann und womit warst du heute glücklich?
Es geht dabei um ein Verstehen und Verstehen-Wollen. Allein, dass gefragt wird, signalisiert vielleicht, dass das Gegenüber wichtig ist. Dass es ernst genommen wird. Ich will dich verstehen. Du bedeutest mir etwas. Ich möchte mich in dich perspektivisch hineinversetzen: gedanklich und emotional. Letzteres wird als ein empathisches Einfühlen, ein Mitfühlen und ein Perspektivenwechsel angestrebt. Dieser darf vielleicht über ein bloß gedankliches Nachvollziehen hinausgehen. Es ist vielleicht ein schönes Erleben auf der Ebene als Paar, wenn man berichten darf – und zugleich gefragt wird.
Was tun bei Einsamkeit in der Beziehung? – Fragen zur Selbstreflexion
Viele Menschen fragen, was sie bei Einsamkeit in einer Beziehung tun sollen. Das kann in diesem Artikel so nicht beantwortet werden. Paare und Partner*innen sind unterschiedlich. Es gibt meiner Erfahrung nach sozusagen individuelle und konkrete Einzelfälle, paarindividuelle Beziehungssituationen.
Manche Paare berichten aber ganz grundsätzlich, dass es für sie stimmig ist, über Gefühle zu sprechen, nicht nur darüber, was sie technisch-praktisch erleben – und – wie oben angedeutet – über Zukunftspläne sowie über das sexuelle Zusammensein. Über Sex und Sexualität ins Gespräch zu kommen, ist meiner Beobachtung nach für viele Paare noch einmal eine besondere Herausforderung.
Anbei habe ich ein paar Fragen zur Selbstreflexion für Partner*innen und Paare gelistet – für den Fall, dass man sich über emotionale Nähe, Zukunftswünsche und das Sexualleben austauschen möchte. Die Fragen dürfen sie einander richten oder sich selbst stellen:
- Was hast du heute erlebt, das dich glücklich gemacht hat? Was hat sich schwer angefühlt?
- Wie zufrieden bist du mit dir und der Beziehung?
- Welche Gefühle und Emotionen begleiten dich in letzter Zeit?
- Hast du Träume und Wünsche, wie du als Paar gemeinsam in der Zukunft leben möchtest?
- Was besorgt dich? Worauf freust du dich?
- Was bedeuten dir zärtliche, erotische und sexuelle Intimität (in der Beziehung)?
- Am Sex in der Beziehung: Was würdest du gerne ändern und/oder unbedingt gerne beibehalten?
- Was findest du anziehend? Welches Aussehen und welches Verhalten nimmst du als attraktiv (an der*dem Partner*in) wahr?
Hinweis: Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und als Impuls zur Selbstreflexion. Er stellt keinen individuellen therapeutischen Rat dar, ersetzt keine Beratung, keine ärztliche oder psychiatrische Abklärung und Behandlung sowie keine Psychotherapie. Wenn dich das Thema berührt, wende dich gerne an eine Fachperson.
Paaren und Einzelpersonen, die ihre Erfahrungen mit Einsamkeit sowie emotionaler und sexueller Distanz in einer Beziehung beleuchten möchten, biete ich in Berlin Gespräche an. Hier informiere ich über meine Begleitung von Paaren und Einzelpersonen in Paartherapie und Sexualtherapie in Berlin.