Erektionsprobleme und Partnerschaft – Wenn die Erektion ausbleibt
Veröffentlicht in Paarbeziehung, Sex und Sexualität

Erektionsprobleme sind für viele Männer ein sensibles Thema. Wenn Mann seine Erektion verliert, ist das womöglich nicht nur ein sexuelles Problem, sondern betrifft auch sein Selbstwertgefühl und seine Partnerschaft – so berichten es mir in Berlin viele Männer in einer Sexualtherapie.
In diesem Artikel beleuchte ich typische Dynamiken, wie Männer und Paare damit umgehen, wenn es Probleme mit der Erektion gibt. Männer und Paare, ja, denn es geht vielleicht um beides: um Erektionsprobleme und Partnerschaft. Nicht nur, dass ein Mann mit Erektionsproblemen oft damit zu tun hat, dass er sich selbst kritisiert. Hinzu kommt vielleicht auch ein*e Partner*in, die/der angesichts einer für penetrativen Sex ungenügenden Gliedsteife Kritik übt – mit Vorwürfen sinngemäß wie „Du stehst nicht (zu mir)!“ oder „Du stehst nicht (auf mich)!“.
Erektionsprobleme und Partnerschaft: „Du Schlappschwanz“!
Ein böses Schimpfwort, das viele kennen, ist ‚Schlappschwanz‘. Wer das so verbalisiert, meint damit im erweiterten Sinn gar nicht unbedingt einen schlaffen oder für eindringenden Penis-Vagina-Sex oder Penis-Anus-Sex ausreichend erigierten Penis. Er oder sie stellt insgesamt – mit dem Ziel eine Kränkung herbeizuführen – das Männlich-Sein, das Mann-Sein des Partners infrage. Dies mag sich auch – gegebenenfalls auch nur ausschließlich – auf vermeintlich fehlende und stereotyp als ausgesprochen männlich verstandene Eigenschaften beziehen: etwa Willenskraft, Entscheidungs- und Entschlusskraft. Insofern wäre auch ein eher bedächtig und sich rückversichernd agierender Mann ein ‚Schlappschwanz‘. Ein solches Agieren ist aber wiederum vielleicht auch nachvollziehbar, angesichts einer gegebenenfalls als bedrohlich empfundenen Art grundsätzlicher ‚verbaler Kastration‘ durch die/den Partner*in.
Drehbuchsex à la „Mach mir den Hengst!“ und Erektionsprobleme
Aber noch einmal zurück zur Selbstkritik des Mannes, der sich mit Erektionsschwierigkeiten (mangelnde oder fehlende Erektion für Sex oder Verlust der Erektion beim Sex) plagt. Selbst wenn ein*e Partner*in hier liebevoll agiert, beschwichtigt, aussagt, dass doch alles gar nicht so schlimm sei: Das Problem ist im Raum und oftmals wird hier auch von einem seelischen Druck berichtet, eigentlich etwas anderes (etwa einen Drehbuchsex à la „mach mir den Hengst!“) liefern zu müssen. Ein Mann fühlt sich vielleicht impotent, so, als könne er „nicht seinen Mann stehen“.
Heterozentrierter Fokus beim Sex
Insbesondere dann, wenn im Selbstverständnis die Rolle des Mannes die ist, seine*n Partner*in zu befriedigen. Hier liegt nämlich der Fokus ganz auf der gebenden Rolle. Die eigene Freude beim Sex ist daran gekoppelt – davon abhängig – dass die/der Partner*in durch das Tun und Können, durch die Fertigkeiten und das Funktionieren des Gebenden, des Liebhabers, Freude erlangt. Nur leider bleibt eine Erektion aus und ein Drehbuchsex mit Abliefern findet daher nicht statt.
Der Fokus der Person in der gebenden Rolle ist dabei vielleicht fast ausschließlich auf eine Art von Rückkoppelung – im Sinne von „Meiner*meinem Partner*in gefällt, was ich tue“ und „Ich betrachte, wie es ihr*ihm gefällt“ – ausgerichtet. Es ist ein heterozentrierter Sex. Manchmal wurde hier aber auch noch nicht gelernt, die zu- beziehungsweise eindringende Rolle erotisch zu besetzen. Vielleicht wird eher eine liebevolle Verschmelzung mit der*dem Partner*in angestrebt. Ein Bei-Sich-Sein und im okayen Sinne egoistisches Penetrieren(-wollen) aber, wird sich verboten, überfordert, wird als nicht zur*zum Partner*in passend empfunden, oder wurde (noch) nicht erlernt.
Umgekehrt ließe sich fragen, ob gleichsam auch die*der Partner*in vielleicht einen sehr heterozentrierten Fokus hat: „Nur wenn er erigiert ist, dann bin ich gut und attraktiv. Ohne seinen erigierten Penis, weiß ich nicht, was ich sexuell erleben und tun soll. Er steht nicht (zu mir)! Und: Er steht nicht (auf mich)!“
Den Satz „Er steht nicht zu mir!“ oder „Er steht nicht auf mich!“ habe ich übrigens erinnerlich vom bekannten Sexualtherapeuten und Psychologen (externer Link) Ulrich Clement aufgeschnappt. Dieser Satz, so von ihm mit einer Prise Humor ins Feld geführt, soll auf eine typische Interpretation, die Partner*innen vielleicht anstellen, hinweisen.
Erektionsprobleme: Wenn der Fokus nur auf der Erektion liegt
In der Zuspitzung des intrapsychischen und partnerschaftlichen Problems zum Thema Erektion und Erektionsschwierigkeiten gerät das Funktionieren (Funktionieren-Können, Nichtfunktionieren) schwerpunktmäßig in den Fokus. Mit der Erektion steht und fällt sozusagen im wahrsten Sinn des Wortes alles. Nicht nur die*der Partner*in beobachtet den Penis ihres Partners – durch direkte Blicke, vorsichtiges, vermeintlich beiläufiges Ertasten –, ähnlich verhält sich gegebenenfalls auch der*die Penisträger*in.
Man fragt sich, wie sich das Paar und die Person mit Penis in einem solchen Klima in der Partnerschaft fühlen. Was macht eine sozusagen derartige Fokussierung und einen Tunnelblick auf die Erektion mit den beiden; und mit dem Sex, den sie miteinander erleben? Wenn Sie überhaupt noch einen Sex miteinander haben. Dies jedenfalls ist ein überdenkenswerter, wenn auch aus der Not geborener Umgang mit einem sexuellen Problem.
Erektionsprobleme und Leistungsdruck
Viele Männer erleben – meiner Beobachtung nach – beim Sex einen enormen Druck, manchmal auch hausgemacht. Pornografie, starre Männlichkeitsbilder und ausgesprochene oder unausgesprochene Erwartungen seitens der Partnerin oder des Partners tragen zu einer Art von Leistungsdruck bei. Dazu kommt die Angst, zu „versagen“. Gemeint ist damit oft, dass die Erektion beim Sex mit der Partnerin oder dem Partner nicht so wie gewünscht entsteht oder während des Eindringens in Vagina oder Anus wieder nachlässt.
Viele Männer berichten mir, dass sie dieses Erleben stark mit ihrem Selbstwert und ihrem Männlichkeitsgefühl verknüpfen. Ein „funktionierender“ Penis wird mit dem „richtigen Mannsein“ gleichgesetzt.
Körperwahrnehmung und Bezug zur eigenen Sexualität
Ich erlebe überdies häufig, dass Männer wenig Bezug zu ihrem Penis oder ihrem Körper aufgebaut haben. Manche Männer lehnen ihren Penis als vermeintlich zu klein oder wenig schön geformt ab, andere erleben ihren Körper insgesamt nicht als erotisch. Es fehlt ihnen dann ein wertschätzender, genießender Zugang zur eigenen Körperlichkeit. Sie sind vielleicht liebende Männer, auch Sex wollende Männer, aber da ist viel Kopf und viel Emotion, mitunter aber wenig Körperwahrnehmung und Bewohnung des eigenen Genitals. Es gibt irgendwie diesen Penis. Aufmerksam wird man auf ihn erst, wenn er schlapp macht und nicht steif ist.
Schwierigkeit, über Erektionsprobleme zu sprechen
Mein Eindruck ist: Vielen Männern fällt es schwer, offen über Erektionsprobleme zu sprechen – sei es mit der Partnerin oder dem Partner, sei es mit Freund*innen oder im Austausch mit anderen Männern. Dahinter steckt oft eine selbstgestellte Gleichung: Steifer Penis = richtiger Mann. Aus Sorge vor Gesichtsverlust und der Infragestellung ihres Mannseins vermeiden Männer häufig den Austausch über sexuelle Probleme – ein gesellschaftlich weit verbreitetes Phänomen.
Partnerschaftliche Dynamik zum Thema Erektionsprobleme
Auf Paarebene wird das Thema nicht selten umgangen. Man spricht nicht mehr darüber, man beschwichtigt oder schweigt. Innerlich aber sind Druck, Angst, Traurigkeit oder auch Wut auf sich selbst sehr präsent. Das Thema wird so zu einer unsichtbaren Last in der Beziehung.
Probleme mit der Erektion – Vorwürfe und Streit in der Partnerschaft
Neben Schweigen gibt es meiner Beobachtung nach auch das Konflikthafte und den Streit. Ein Nichtfunktionieren führt vielleicht zu Streit und Konflikten in der Beziehung. Bis hin zum Vermeiden gemeinsamer sexueller Aktivität. Sich zu beschimpfen, Frust und Enttäuschungen zu verbalisieren und Rückzüge sind dabei vielleicht wenig einladend. Es stellt sich die Frage, in welcher Atmosphäre man gerne über Formen und Möglichkeiten – auch jenseits von Erektion und Co – nachdächte. Was bräuchte es, um sich diesen Alternativen experimentell neugierig zu nähern?
Reflexionsfragen für Paare und betroffene Männer
Vielleicht möchten Sie an dieser Stelle kurz innehalten und die ein oder andere Frage für sich aufgreifen – oder auch mit der*dem Partner*in besprechen. Es sind Fragen, die sich viele Männer angesichts von Erektionsproblemen stellen:
- Wie ist es um seelischen und Leistungsdruck bestellt, sozusagen etwas – Standfestigkeit, Erektion – liefern zu müssen?
- Stammt der Druck aus der Gesellschaft, aus meinem Umfeld, aus der Beziehung oder mache ich ihn mir selbst?
- Vermute ich nicht offen ausgesprochene Erwartungen des*der Partner*in?
- Wie steht es um mein Selbstwertgefühl, wenn der Penis steht oder fällt?
- Nehme ich meine Beziehung insgesamt als belastend wahr, also nicht nur in Bezug auf das Thema mit der Erektion?
- Wie gut gelingt es mir, Wünsche und Bedürfnisse zu äußern – und auch gut bei mir zu bleiben, mich abzugrenzen?
- Welche Strategien und Fähigkeiten habe ich, um zu entspannen und zu genießen?
- Habe ich einen aufmerksamen und liebevollen Zugang zu mir selbst? Zu meinem eigenen, sexuellen Körper?
Ärztliche Abklärung
In einem ersten Schritt sollten Erektionsprobleme ärztlich abgeklärt werden, um eventuelle physische Ursachen zu identifizieren oder auszuschließen. Erektionsprobleme können physische und/oder psychische Ursachen haben.
Paarsexualberatung – Aussprache auf der Ebene als Paar
Vielleicht möchte ein Paar zudem auch moderiert – etwa in einer Paarsexualberatung – einen Paarkonflikt und eine zugehörige Frustrationsgeschichte miteinander besprechen. Dabei dürfen beide Seiten gehört werden, mit dem Ziel eine wertschätzende Aufmerksamkeit zu schenken. Missverstände dürfen identifiziert werden, auch in der Absicht, dass Partner*innen neue Sichtweisen auf sich, den*die Partner*in, die Beziehung und auf das gemeinsame Sexualleben erarbeiten.
In meinem Blog halte ich weitere Artikel zum Thema Partnerschaft, Sex und Sexualleben bereit. Dort finden Sie auch folgenden Beitrag: Interview mit dem Penis – Gespräch mit dem besten Stück.
Sexualtherapie für Männer – bei Erektionsproblemen
Männern, die sich und ihr psychogenes sexuelles Problem (etwa psychogene Erektionsprobleme) ins Gespräch bringen möchten, biete ich überdies in Berlin Sexualtherapie als Einzeltherapie an. Es ist zudem ein Angebot, die*den Sexualpartner*in in die Gespräche miteinzubeziehen. Willkommen sind hetero-, bi- und homosexuelle Männer. Ich arbeite in Berlin mit einem Fokus auf Körperwahrnehmung sowie auf die kognitive, emotionale und partnerschaftliche Ebene. Mehr dazu hier: Sexualtherapie.
Dieser Beitrag ersetzt keine ärztliche Abklärung, Behandlung und/oder Psychotherapie. Wende dich an eine*n fachkundige*n Arzt*Ärztin zur diagnostischen Abklärung. Es ist wichtig, organische / medizinische Auslöser nicht zu übersehen. Kläre bitte auch ab, ob eine psychische Störung mit Erektionsproblemen assoziiert wird. Dieser Beitrag soll und kann nicht zu einer Art Selbstdiagnose verwendet werden.