Sexuelle Fantasien – Ist das normal?
Veröffentlicht in Paarbeziehung, Sex und Sexualität
Sexuelle Fantasien sind ein Thema, das in meiner Sexualtherapie in Berlin oft zur Sprache kommt. Manche Menschen erleben Fantasien als lustvolle Ressource, andere hingegen als Quelle von Scham oder Schuld. Dieser Beitrag gibt Einblicke in die Vielfalt sexueller Fantasien und ihre Bedeutung für Intimität, Partnerschaft und Sexualität. Auch im Zusammenhang mit sexuellen Krisen können Fantasien ein Thema sein.
Zu sexuellen Fantasien als Gegenstand der Sexualtherapie hat übrigens (externer Link) Sexualtherapeutin Angelika Eck publiziert (Eck, 2020). Sie legt darin eine differenzierte Perspektive auf Fantasien vor – auf ihre möglichen positiven Funktionen ebenso wie auf Sorgen und Anliegen von Menschen, die sich mit einer Fantasie schwertun. Auf einige Punkte gehe ich – auch mit einer eigenen Perspektive aus meiner Sexualberatung – in diesem Beitrag ein.
Sexuelle Fantasien als Ressourcen?
Aus einer wohlwollenden Perspektive betrachtet, werden Sexualfantasien mitunter als Kompetenzen verstanden. Fantasien werden dann als Fertigkeiten betrachtet, die wir bei unserem sexuellen Tun einsetzen, etwa begleitend beim Aufbau von Lust und Erregung. Eck (2020, S. 18 f.) beschreibt Fantasien als „mentale Repräsentationen mit sexuellem Bedeutungsgehalt“, die innere Bilder, Gerüche, Geräusche oder auch ganze Szenen umfassen. Tagträume dürfen ihrzufolge ebenso als Einstieg in ein sexuelles Tun dienen – alleine oder mit der*dem Partner*in – oder begleitend eingesetzt werden.
Ist das normal? Bin ich normal?
Für manche Menschen wirken Sexualfantasien bedrohlich – etwa wenn die Inhalte Sorgen bereiten oder mit Ekel-, Angst-, Scham- oder Schuldgefühlen verbunden sind. Fragen, die auftauchen können, sind zum Beispiel: „Ist diese Fantasie noch normal?“, „Haben andere auch solche Fantasien?“ oder „Liegt hier eine Störung vor?“ (Eck, 2020, S. 20 ff.).
Kontrovers diskutiert wird häufig, ob es „erlaubt“ sei, beim Solosex oder Paarsex an andere Personen als die*den eigene*n Partner*in zu denken. Auch Fantasien zu Unterwerfung, zu (vermeintlich) extremen Inhalten oder zu Kinks/Fetischen (z. B. BDSM, Strümpfe, Füße) werfen Fragen nach Normalität auf. Studien wie Joyal et al. (2015, zitiert nach Eck 2020, S. 21, 99) zeigen, dass viele dieser Inhalte verbreiteter sind, als oft angenommen. Ebenso können kulturelle oder religiöse Überzeugungen eine Rolle spielen: Für manche bedeutet das einen Konflikt zwischen dem Genuss einer Fantasie einerseits und inneren Verboten andererseits.
In Gesprächen genauer hinsehen
Es gibt ein weites Spektrum von ganz typischen Sexualfantasien (vgl. Eck, 2020). Manche Menschen fantasieren von Alltagssituationen mit besonderer Nähe, andere von dominanten oder unterwerfenden Rollen, wieder andere von romantischen Bildern oder von attraktiven Körpern. Das ist nichts Ungewöhnliches.
Dennoch machen sich viele Menschen Sorgen oder sind irritiert. Hier gibt es auch eine große Bandbreite, ab wann das der Fall ist. Sich jemandem anzuvertrauen fällt oft schwer, da Fantasien sehr intim sind und manchmal nicht einmal mit Partner*innen geteilt werden. Und wenn doch, mag eine geteilte Fantasie vom Gegenüber ganz anders bewertet werden. In Gesprächen mit Einzelpersonen und Paaren, die eine Fantasie ablehnen oder sich mit deren Inhalten schwertun, geht es häufig um dahinterliegende Bedürfnisse und um die Frage, welchen Einfluss Fantasien auf die sexuelle Zufriedenheit haben. Es ist vielleicht auch interessant, genauer hinzuschauen:
- Was wird fantasiert?
- Wozu dient die Fantasie?
- Welcher Umgang damit fühlt sich stimmig an?
- Welche Fantasien lassen mich entspannen, welche machen mir eher Angst?
- Teile ich Fantasien mit meiner*meinem Partner*in oder behalte ich sie lieber für mich – und warum?
- Habe ich Fantasien, die mich bereichern – oder solche, die mir Unruhe bereiten?
Manchmal wird auch ein Blick in die eigene sexuelle Lern- und Entwicklungsgeschichte gewünscht – eine Art detektivische Spurensuche nach möglichen Erklärungsansätzen für Fantasieinhalte.
Abgrenzung zu Trauma-Intrusionen und Zwangsgedanken
Noch ein wichtiger Hinweis: Sexualfantasien sind nicht gleichzusetzen mit traumassoziierten Intrusionen – etwa Wiedererinnerungen, Flashbacks oder Nachhallerinnerungen – und auch nicht mit Zwangsgedanken (vgl. Eck, 2020). Intrusionen und Zwangsgedanken sollten psychotherapeutisch abgeklärt werden.
Fazit
Sexuelle Fantasien werden von vielen Menschen als Lust- und Erregungsquellen erlebt, manchmal aber auch als Scham oder Verunsicherung auslösend. Sie gehören zu Intimität und Sexualität in Partnerschaften und werfen Fragen auf – nach Bedeutung, Normalität und persönlichem Umgang. Die Auseinandersetzung damit darf Teil einer Sexualtherapie sein, wenn Menschen ihre Fantasien in einem geschützten Rahmen reflektieren möchten.
Hinweis: Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und Selbstreflexion. Er stellt keinen individuellen therapeutischen Rat dar und ersetzt keine ärztliche, psychiatrische oder psychotherapeutische Abklärung oder Behandlung. Der Beitrag soll nicht zu einer Art „Selbstdiagnose“ verwendet werden.
Ferdinand Krieg, Heilpraktiker beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie.
Paar- und Sexualtherapeut in Berlin. Weitergebildet in Systemischer Therapie und Beratung (SG), in Systemischer Paartherapie (SIH) und in Sexualtherapie (DGfS). Derzeit im Masterstudium der Sexologie an der Hochschule Merseburg.
Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung (DGfS), in der Systemischen Gesellschaft (SG) und im Fachverband Sexologie Schweiz (FSS).
Literatur
- Eck, Angelika (2020): Sexuelle Fantasien in der Therapie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
- Joyal, C. C.; Cossette, A.; Lapierre, V. (2015): What exactly is an unusual sexual fantasy? Journal of Sexual Medicine, 12(2), 328–340. Zit. nach Eck 2020.
- Lifelessons (2023): Workshop „Sexuelle Fantasien in der Therapie“, Dr. Angelika Eck. Online unter (externer Link) www.lifelessons.de